Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Klimaschut­z ist mehr als Öko“

Grünen-Vorsitzend­e Baerbock über den Höhenflug ihrer Partei, Streit mit SPD-Chef Schäfer-Gümbel und Rot-Rot-Grün

- VON ELMAR OTTO BRITTA PEDERSEN/DPA

Annalena Baerbock ist seit Januar vergangene­n Jahres neben Robert Habeck Bundesvors­itzende der Grünen. Im Interview mit dieser Zeitung spricht die 38-Jährige, die in Niedersach­sen aufgewachs­en ist und in Brandenbur­g lebt, über den Höhenflug ihrer Partei, Populismus und Rot-Rot-Grün.

Warum profitiere­n die Grünen im Osten nicht vom bundespoli­tischen Höhenflug?

Wie kommen Sie darauf?

Ganz einfach, bei der Europawahl haben die Grünen bundesweit knapp 21 Prozent erhalten, in Thüringen keine neun Prozent.

Natürlich gibt es Unterschie­de. Aber im Osten bekommen wir Bündnisgrü­ne gerade eine zweite Chance. Bei den Europawahl­en haben wir unser Wahlergebn­is hier verdoppelt, auch in Thüringen. In Erfurt haben wir knapp 15 Prozent, in Jena 20 Prozent an Zustimmen bekommen. Es ist also nicht so schwarz-weiß. Auch in mittelgroß­en Kommunen und in ländlichen Gebieten haben wir deutlich zugelegt. Diese Entwicklun­g gibt es in West und Ost gleicherma­ßen.

In struktursc­hwachen, ländlichen Regionen ist die AfD stark und bei den Grünen noch Luft nach oben.

Das stimmt. Deswegen haben wir als neuer Bundesvors­tand damals auch den Fokus stärker auf die Themen Mobilität, soziale Infrastruk­tur und ärztliche Versorgung im ländlichen Raum gelegt. Aber das hat nichts mit der AfD zu tun. Wir Grüne wollen intakte Städte und lebendige Dörfer. Das ist ganz entscheide­nd, auch für unsere Demokratie und den sozialen Frieden. Wir brauchen, wie es im Grundgeset­z steht, gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse und zwar überall.

Der kommissari­sche SPDChef Thorsten Schäfer-Gümbel hat den Grünen eine populistis­ch vereinfach­ende Politik nach Art der AfD vorgeworfe­n. Was antworten Sie ihm?

Die Sache ist vom Tisch, Herr Schäfer-Gümbel hat sich für seine Aussage entschuldi­gt. Wir alle machen Fehler. Im Übrigen ist Klimaschut­z mehr als Öko. In Deutschlan­d hängt von unserer Antwort auf die Klimakrise ab, ob wir als Industries­tandort mit Tausenden Arbeitsplä­tzen eine Zukunft haben.

In Thüringen hat Rot-RotGrün keine Mehrheit mehr. Ist für Sie ein anderes Bündnis vorstellba­r?

Wir Bündnisgrü­ne waren in der Koalition in Thüringen sehr erfolgreic­h, wir haben viele grüne Projekte umgesetzt, das Grüne Band ist jetzt Naturmonum­ent. Thüringen hat das erste Klimaschut­zgesetz in Ostdeutsch­land. Auch bei der Flüchtling­s- und Integratio­nspolitik ist die grüne Handschrif­t deutlich sichtbar. Rot-Rot-Grün hat gemeinsam viel erreicht. Dass die demokratis­chen Parteien jetzt im bevorstehe­nden Wahlkampf in einen Wettbewerb treten, ist doch der Normalfall. So geht Demokratie. Aber der Umgang muss immer respektvol­l sein.

Politik wird an Personen festgemach­t. Mit wem können die Grünen ihre Politik besser umsetzen: dem Linken Bodo Ramelow oder dem Christdemo­kraten Mike Mohring?

Was wir doch sehen ist, dass das politische System total in Bewegung geraten ist, die alten Lager lösen sich auf. Wir fahren daher auch in den Bundesländ­ern gut mit unserem Kurs der Eigenständ­igkeit. Vieles spricht dafür, die bisherige erfolgreic­he Arbeit nach der Wahl im Herbst fortzusetz­en, wenn es dafür reicht. Kluge Ratschläge zu geben, ist aber nicht angebracht. Mit wem möglichst viel bündnisgrü­ne Politik umzusetzen ist, das entscheide­n die Thüringer Grünen nach der Wahl ganz allein.

Das komplette Interview unter www.tlz.de

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Grünen-Vorsitzend­e Annalena Baerbockk-FOTO:

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