Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Musik mit Rettich und Möhre
Die Stelzenfestspiele bieten vom 21. bis 23. Juni das Erste Wiener Gemüseorchester und weitere 20 Veranstaltungspunkte
Sie bauen Blasinstrumente aus Möhren und Rettichen, Schlaginstrumente aus Kürbissen und Sellerie: Das Erste Wiener Gemüseorchester wird bei den diesjährigen „Stelzenfestspiele bei Reuth“aufspielen. Das vielköpfige Ensemble fertigt seine Instrumente vor jedem Konzert mit Küchenmesser und Akkubohrer neu an. Wird ein Klangkörper auf der Bühne nicht mehr gebraucht, wandert er in den Kochtopf. Zum krönenden Abschluss reichen dann die Musiker Gemüsesuppe aus.
Die Österreicher sind zum zweiten Mal zu Gast im südlich von Schleiz gelegenen Dorf Stelzen, wie Henry Schneider, der langjährige Leiter der Stelzenfestspiele, sagt. Insgesamt bietet das Festival von Freitag, 21. Juni, bis Sonntag, 23. Juni, erneut rund 20 Veranstaltungen – seriöse und skurrile Musik-Acts, aber auch Performances, Ausstellungen und das obligatorische Fußballspiel zwischen Traktor Stelzen und der Auswahl des Leipziger Gewandhausorchesters.
Alljährlicher Höhepunkt ist die Landmaschinensinfonie, die wegen des regen Interesses gleich zweimal am Freitag erklingt. Neben Instrumenten wie der Gülleorgel und der Melkspinne kommt diesmal auch eine Brennholzmaschine zum Einsatz. Mit den ihr eigenen Maschinengeräuschen, die beim Sägen, Spalten und dem Wegtransport des Holzes entstehen, wird sie stellenweise als Schlagzeug fungieren.
Im Anschluss stimmt Sprengmeister Roland Keil kurz vor Mitternacht seinen obligatorischen „Nachtgesang“an. In dieser wunderbar verschrobenen Feuerwerkshow bringt der in Liebe entflammte Pyro-Fachmann seine Liebesgefühle auf explosive Art zum Ausdruck.
Tags darauf schlüpft Henry Schneider mit drei weiteren Gewandhausmusikern in die Rollen von Waldarbeitern. Im Erlebniskonzert „Wie man Holz glücklich macht“brechen die vier zu einer Zeitreise durch die Instrumentalund Musikgeschichte auf. Für Waldgeräusche und Chor zeichnet die Schule in Tanna verantwortlich.
Mit dem Festivalthema „Stelzen im Wald“wie auch dem „Konzert mit Vögeln“am Sonntag wollen die Veranstalter auf die besonders schützenswerte Stelzener Naturlandschaft aufmerksam machen. Hier nisten laut Festivalchef seltene Vogelarten wie der Schwarzstorch. Seit einigen Jahren bestehen jedoch Pläne, dort Windkraftanlagen zu errichten. Für Schneider steht fest: Sobald die Windräder kämen, werde es kein weiteres Festival mehr geben. Zugleich gibt sich der aus dem Vogtland stammende Gewandhausmusiker zuversichtlich. Immerhin habe ein Gutachten festgestellt, dass in dem Gebiet schützenswerte Vögel leben beziehungsweise zahlreiche Zugvogelarten rasen.
Zum Abschluss der Festspiele wird die Bachwiese wieder eröffnet: Von CD läuft dort das Gesamtwerk von Johann Sebastian Bach acht Tage lang. Gerade die Helfer nutzen laut Schneider diesen zauberhaften Ort dann als Wellnessoase.