Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Es ist fünf vor zwölf
Ein gesunder Wald fungiert als Kohlendioxid- und Wasserspeicher. Befallene Wald beschleunigt den Klimawandel
Die beiden Beiträge von Sibylle Göbel in der TLZ „Borkenkäferbefall wächst sich zur Katastrophe aus“und „Die Justiz soll bei der Rettung des Waldes helfen“sollten alle wach rütteln.
Dem Thüringer Wald, überwiegend mit der so „verpönten“Fichte bestockt, droht das gleiche Schicksal wie dem Hochharz. Vom Brocken erblickt man ringsum nur braune Berge, auch in dem benachbarten Bundesland Niedersachsen. Hier hat man den Mantel „Nationalpark“übergehängt und hofft auf natürliche Wiederbegrünung. Auch wenn er als „Buchdrucker“aus einschlägigem Gewerbe kommt, ist der Käfer doch des Lesens nicht kundig und missachtet alle Grenzen.
Einem solchen Anblick sollten wir zuvorkommen. Ein grüner gesunder Wald fungiert als CO2- und Wasserspeicher. Ein vom Käfer befallener oder gar vernichteter Wald hingegen würde den Klimawandel noch beschleunigen. Auch der Erholungseffekt bleibt aus und mit ihm die Urlauber.
Um dieser Katastrophe zu begegnen, bedarf es dringender Maßnahmen, die man nicht nur der Forstwirtschaft überlassen kann. Das großzügige Bereitstellen finanzieller Mittel hilft hier nicht allein, denn der Käfer ist nicht bestechlich. Es besteht dringender Handlungsbedarf technischer, besser manueller Art. Einzelstämmen und sogenannten Befallsnestern kann man nicht mit moderner schwerer Technik beikommen. Hier braucht man Facharbeiter, die durch Laienkräfte unterstützt werden müssen, eben weil es an diesen Fachkräften mangelt. Die noch einzeln stehenden befallenden Bäume müssen umgehend gefällt, vor allem aber entrindet und diese Rinde mit Tüchern, Planen oder Ähnlichem aufgefangen und verbrannt beziehungsweise begiftet werden. Das so aufbereitete Holz kann dann vorerst im Wald verbleiben, ohne damit neue Befallsherde entstehen zu lassen. Trockene Bäume, die der Schädling mit seiner Brut bereits wieder verlassen hat, sollte man zunächst ignorieren und zu einem späteren Zeitpunkt fällen.
Da „Gefahr im Verzug – Zögern ist gefährlich (Livius)“, sollten umgehend die empfohlenen Maßnahmen begonnen werden. Das Bereitstellen der dafür benötigten, relativ primitiven Werkzeuge und Gerätschaften dürfte unter heutigen Bedingungen keine Hürde sein. Für die Arbeiten sind keine Sprachkenntnisse erforderlich, sodass sich hier ein unerschöpfliches Arbeitskräftepotenzial auftut. Auch vertrauenswürdige Insassen von Justizvollzugsanstalten würden sich über eine Abwechslung in ihrem Alltag nicht beschweren. Ein Zurückgreifen auf die Bundeswehr sollte angesichts der Situation ebenfalls in Betracht gezogen werden. Das wäre sinnvoller, als sie in fremden Ländern Menschen in der Kriegsführung zu unterweisen. Einheiten der Roten Armee haben die Forstleute bei der Katastrophe 1946/’47 tatkräftig unterstützt.
Von einem Forstfacharbeiter angeleitet, könnten solche „Käfer-Jagdkollektive“kurzfristig zusammengestellt und sofort auf den bedrohten Wald losgelassen werden. Nur von einer solchen zielstrebigen Maßnahme, die meines Erachtens durchaus realisierbar ist, verspreche ich mir eine Rettung der Fichtenwälder.
Ein zielstrebiges und sofortiges Handeln wird im Wald oft durch Besitzverhältnisse ausgebremst. Würden wir es der Justiz überlassen, durch Feststellung des Flurstücks, der Eigentümer inklusive Erbfolge, Einholen der Erlaubnis zum Einschlag etc. den Rechtsweg einzuhalten, dann würde durch diesen Zeitverlust die Kalamität ohnehin zusammenfallen, weil der Käfer keine grünen Bäume für seine Eiablage mehr vorfindet!
Bei einem großflächigen Waldbrand – und damit kann man die gegenwärtige Situation ruhig vergleichen – wird auch niemand nach dem Eigentümer forschen, um die Feuerwehr vor notwendigen Maßnahmen abzuhalten.
Hier droht eine Katastrophe, und die Regierung ist gefordert, die Initiative zu ergreifen. Aber jetzt kommt ja erst einmal die Sommerpause . . . wohlgemerkt nicht für den Borkenkäfer, denn der hat Hochsaison, wird sich massenhaft entwickeln und ausbreiten.
Ich habe die Katastrophe 1946/’47 als junger Forstmann aktiv miterlebt, weiß, was ich sage bzw. schreibe, und hoffe, dass mein Hilferuf nicht ungehört verhallt, und empfehle einen Besuch des Brockens.