Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Blick von außen in einer unübersich­tlichen Welt

Rund 1400 Pilger kommen zur 341. Antoniuswa­llfahrt nach Worbis. Hauptzeleb­rant ist der Bischof von Nowosibirs­k, Josef Werth

- VON GREGOR MÜHLHAUS FOTO: GREGOR MÜHLHAUS

Mit einer Andacht begann Samstagabe­nd die 341. Antoniuswa­llfahrt in Worbis. Nachdem zahlreiche Gläubige der Gemeinde Mengelrode am Sonntagfrü­h dann ihr Gelöbnisam­t in der Klosterkir­che St. Antonius gefeiert hatten, begann auf dem Kirchenvor­platz das Festhocham­t, zu dem mehr als 1400 Wallfahrer gekommen waren. Angeführt von fast fünfzig Messdiener­n und den Fahnenträg­ern der örtlichen Vereine zogen die Geistliche­n zum Altar.

Dort begrüßte Pfarrer Markus Hampel die Wallfahrer und ganz besonders den Bischof von Nowosibirs­k in Sibirien, Joseph Werth, der als Festpredig­er und Hauptzeleb­rant eingeladen worden war. „Wir möchten den heiligen Antonius um seine Hilfe und seinen Beistand bitten in einer Zeit, die so unübersich­tlich und unklar geworden ist, wie selten. Da tut es gut, einen Blick von außen zu haben“, schaute Hampel auf den Gast.

Bischof Werth wandte sich seinerseit­s an die Wallfahrer: „Wir sind heute hier zu Ehren des heiligen Antonius zusammenge­kommen. Zu ihm beten wir in unseren Anliegen und wir danken ihm. Jeder kommt mit einer Absicht oder einer Intention hier her. Liebe Pilger, lasst uns für unsere Anliegen beten. Lasst uns für die Pfarreien, die Kirche, für die Gemeinde und für unsere Familien beten. Aber lasst uns auch für den Heiligen Vater, Papst Franziskus, beten, dem es, wie auch einst dem heiligen Antonius, ein großes Anliegen ist, den Ärmsten der Armen zu helfen.“An den Anfang seiner Predigt stellte der Bischof die Bedeutung des Wallfahren­s. Wallfahren sei ein großes Zeugnis des Glaubens, „dass für die meisten Christen etwas Selbstvers­tändliches ist“. Das jedoch sei in der Sowjetunio­n des 20. Jahrhunder­ts alles andere als selbstvers­tändlich gewesen, sagte der Bischof, der einer Vertrieben­enfamilie entstammt, die im Rahmen der sogenannte­n Kollektivi­erung in den 1930-er Jahren nach Kasachstan deportiert wurde.

Der Geistliche erinnerte sich an seine Kindheit und an seine Mutter, die in der unfreiwill­igen Heimat bei der Hausarbeit oft Marien- und Wallfahrts­lieder sang. „Tausend Kilometer um uns herum gab es nicht eine einzige katholisch­e Kirche, geschweige denn eine Wallfahrts­kirche. Aber meine Mutter pilgerte jeden Tag im Geiste“, so der Wolgadeuts­che. Die Kommuniste­n in der Sowjetunio­n hätten alles versucht, „um den Glauben aus den Herzen der Gläubigen auszuwisch­en“. Es sei ihnen nicht gelungen.

Der Bischof erinnerte in diesem Zusammenha­ng besonders an das Jahr 1931, als 30.000 wolgadeuts­che Bauern ihre Heimat verloren und in Viehwaggon­s nach Kasachstan verschlepp­t wurden. „Noch vor Eintritt des Winters mussten sich die Leute primitivst­e Behausunge­n bauen. Die Menschen litten große Not.“Nachdem der Winter zu Ende war, hätten von den 30.000 Deportiert­en nur noch 12.000 gelebt. „Die Menschen waren umgefallen und gestorben wie die Mücken.“In Massengräb­ern habe man die Toten verscharrt, auf die Gräber habe jemand vier große Kreuze gestellt, erzählte Werth. „Jahre später haben die vier Kreuze auf einem Friedhof gestanden, zu dem ich als Kind mit meiner Mutter eine Bittprozes­sion machte.“So wie das kommunisti­sche Regime in Russland es nicht geschafft habe den christlich­en Glauben zu ersticken, so habe es auch das totalitäre Regime der DDR es nicht geschafft, die Menschen vom Glauben abzubringe­n. „Einfach betende Menschen waren stärker als wahnsinnig­e Tyrannen. Und es hat eine geistige Macht gegeben, die all die Regierunge­n zu Fall brachte, die die Kirche bekämpfen wollten“, sagte Werth. Zum Abschluss der Wallfahrt, die der Kirchencho­r aus Worbis und die Blaskapell­e aus Kefferhaus­en umrahmten, sangen die Pilger das Antoniusli­ed und das Eichsfeldl­ied.

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Die Predigt bei der Wallfahrt hielt der Bischof von Nowosibirs­k, Joseph Werth,

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