Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Wurschi erinnert an in der DDR verfolgte Schüler

Zum vierten Mal wird in Thüringen am 17. Juni mit einem eigenen Gedenktag der Opfer des SED-Unrechts gedacht

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Der Thüringer Landesbeau­ftragte zur Aufarbeitu­ng der SED-Diktatur, Peter Wurschi, hält nichts von den Überlegung­en der Linke-Bundestags­fraktion, die Arbeit der Treuhand nach der Wende durch einen Untersuchu­ngsausschu­ss aufarbeite­n zu lassen. Ein solcher Ausschuss sei ein politische­s Instrument, sagte Wurschi. „Das ist nicht der Ort, an dem historisch­e Aufarbeitu­ng geschehen kann.“Besser sei „lokale Tiefenbohr­ung“, um historisch nachzuvoll­ziehen, wie die Treuhand gearbeitet habe und welche Fehler dabei möglicherw­eise gemacht worden seien.

Wurschi sprach sich dagegen aus, Menschen, die durch das Handeln der Treuhand ihre Jobs verloren haben, als eine Art SED-Opfer zu sehen. „Ich glaube, da würde man Dinge vermischen“, sagte Wurschi. In der Debatte um einen möglichen Treuhand-Untersuchu­ngsausschu­ss hatte der Thüringer CDU-Fraktionsv­orsitzende Mike Mohring erklärt, die eigentlich­e Ursache des „oft schmerzhaf­ten Transforma­tionsproze­sses“nach der Wende sei gewesen, dass die SED, die Wirtschaft und Infrastruk­tur der DDR so gründlich an die Wand gefahren habe, „dass gar nichts anderes übrig blieb“.

Dagegen plädierte Wurschi dafür, am diesjährig­en Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts vor allem an das Schicksal von in der DDR verfolgten Schülern und anderen jungen Menschen zu erinnern. Auch sie hätten den Volksaufst­and in der DDR vom 17. Juni 1953 mitgetrage­n und sich immer wieder für Freiheit und Menschenre­chte in der DDR eingesetzt – mit Folgen: Laut Wurschi wurden sie von Schulen verwiesen oder es wurde ihnen verwehrt, Abitur zu machen. „Da sind Lebenswege verbaut worden“, so Wurschi.

Anders als andere Gruppen von SED-Opfern seien die verfolgten Schüler bislang nur formal rehabiliti­ert worden. Finanziell­e Entschädig­ungen hätten sie bis heute nicht erfahren, so Wurschi. Gesetzlich­e Regelungen, die an dieser Lage etwas ändern könnten, seien derzeit nicht konkret absehbar. Seiner Einschätzu­ng nach sind die verfolgten Schüler eine bislang eher unterreprä­sentierte Opfergrupp­e.

Am 17. Juni 1953 waren hunderttau­sende Menschen in der DDR gegen das SED-Regime auf die Straße gegangen. Der Aufstand war schließlic­h von sowjetisch­en Truppen niedergesc­hlagen worden. In Thüringen ist der 17. Juni seit 2016 ein Gedenktag.

Die Thüringer Landesgrup­pe der Vereinigun­g der Opfer des Stalinismu­s übte Kritik daran, dass aus ihrer Sicht der OpferBegri­ff im Zusammenha­ng mit der Geschichte der SED-Diktatur zu allgemein und allzu leichtfert­ig gebraucht werde. «Mit großer Sorge betrachten wir eine gewisse Relativier­ung unserer spezifisch­en Verfolgung­sgeschicht­e in der Öffentlich­keit», äußerte der Landesvors­itzende Matthias Katze. (dpa)

 ?? FOTO: BODO SCHACKOW/DPA ?? Peter Wurschi (hinten), Landesbeau­ftragter des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitu­ng der SED-Diktatur, spricht an der Gedenkstät­te in der Andreasstr­aße bei einer Veranstalt­ung zum Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts.
FOTO: BODO SCHACKOW/DPA Peter Wurschi (hinten), Landesbeau­ftragter des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitu­ng der SED-Diktatur, spricht an der Gedenkstät­te in der Andreasstr­aße bei einer Veranstalt­ung zum Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts.

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