Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Experte: Ursprünge von Volksfesten waren viel bescheidener
Die Veranstaltungen ziehen Zehntausende Besucher an. Diese Ausmaße sind ein relativ neues Phänomen
Große Volksfeste mit Zehntausenden Besuchern sind aus Expertensicht in Thüringen ein relativ neues Phänomen. „Die Entwicklung zeichnete sich gegen Ende der DDR-Zeit ab“, sagte Peter Fauser, Brauchtumsexperte beim Museum für Thüringer Volkskunde. „Volksfeste in der Vielzahl, als Massenfeste und wie sie heute auch immer wieder neu erfunden werden, sind ein relativ neues Phänomen.“
Erst am vergangenen Wochenende zogen beim Krämerbrückenfest und beim Rolandsfest wieder Besucher durch Erfurt und Nordhausen. Die beiden Veranstaltungen zählen zu den großen Volksfesten Thüringens. Allein zum Krämerbrückenfest kamen über drei Tage zwischen 110.000 und 130.000 Menschen.
Vor allem die Ausmaße mancher Volksfeste mit Jahrmarktattraktionen und umfassenden Musik- und Show-Programm hätten wenig mit ihren Vorgängern zu tun, sagte Fauser. „Die historischen Ursprünge sind sehr viel bescheidener gewesen.“Kinderfeste und Brunnenfeste, wie sie etwa noch in Mühlhausen an der Popperöder Quelle begangen werden, gehörten etwa dazu. „Da gab es vielleicht einen halben Tag schulfrei und Limonade und Bratwurst für die Kinder.“Bei den Brunnenfesten reinigte man die für sauberes Trinkwasser wichtigen Anlagen und putzte auch sich selbst heraus, erklärte Fauser.
Aber auch Kirchweihfeste sieht Fauser als frühe Vorgänger heutiger Volksfeste. Diese seien vor allem für die jungen Leute eine Art Sehnsuchtsfest gewesen, um zu tanzen und zu trinken. „In den vergangenen Jahrhunderten gab es so etwas wie Freizeit kaum.“Bestenfalls der Sonntagnachmittag nach der Kirche oder eben kirchliche Feiertage und Anlässe hätten Raum dafür gegeben. Heute feiern Fauser zufolge noch gut 700 Thüringer Orte die zur „Kirmes“verkürzten Kirchweihfeste.
Der Experte verweist auf einen weiteren Ursprung der größeren Volksfeste: Märkte. So sei das mittlerweile größte Thüringer Volksfest, der Weimarer Zwiebelmarkt, im 17. Jahrhundert als Markt gestartet, bei dem Besucher ihre Vorräte an Zwiebeln und anderem Gemüse für den Winter auffüllen konnten. Inzwischen kommen zu dem Fest im Herbst regelmäßig mehr als 300.000 Besucher. Ganz ähnlich ist auch die Geschichte des Arnstädter Wollmarkts. Das Traditionsfest geht am letzten Juni-Wochenende in seine 170. Ausgabe und nahm als reiner Markt für Wolle und Naturwaren seinen Anfang. (dpa)