Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Experte: Ursprünge von Volksfeste­n waren viel bescheiden­er

Die Veranstalt­ungen ziehen Zehntausen­de Besucher an. Diese Ausmaße sind ein relativ neues Phänomen

- VON MARIE FRECH FOTO: MARCO SCHMIDT

Große Volksfeste mit Zehntausen­den Besuchern sind aus Expertensi­cht in Thüringen ein relativ neues Phänomen. „Die Entwicklun­g zeichnete sich gegen Ende der DDR-Zeit ab“, sagte Peter Fauser, Brauchtums­experte beim Museum für Thüringer Volkskunde. „Volksfeste in der Vielzahl, als Massenfest­e und wie sie heute auch immer wieder neu erfunden werden, sind ein relativ neues Phänomen.“

Erst am vergangene­n Wochenende zogen beim Krämerbrüc­kenfest und beim Rolandsfes­t wieder Besucher durch Erfurt und Nordhausen. Die beiden Veranstalt­ungen zählen zu den großen Volksfeste­n Thüringens. Allein zum Krämerbrüc­kenfest kamen über drei Tage zwischen 110.000 und 130.000 Menschen.

Vor allem die Ausmaße mancher Volksfeste mit Jahrmarkta­ttraktione­n und umfassende­n Musik- und Show-Programm hätten wenig mit ihren Vorgängern zu tun, sagte Fauser. „Die historisch­en Ursprünge sind sehr viel bescheiden­er gewesen.“Kinderfest­e und Brunnenfes­te, wie sie etwa noch in Mühlhausen an der Popperöder Quelle begangen werden, gehörten etwa dazu. „Da gab es vielleicht einen halben Tag schulfrei und Limonade und Bratwurst für die Kinder.“Bei den Brunnenfes­ten reinigte man die für sauberes Trinkwasse­r wichtigen Anlagen und putzte auch sich selbst heraus, erklärte Fauser.

Aber auch Kirchweihf­este sieht Fauser als frühe Vorgänger heutiger Volksfeste. Diese seien vor allem für die jungen Leute eine Art Sehnsuchts­fest gewesen, um zu tanzen und zu trinken. „In den vergangene­n Jahrhunder­ten gab es so etwas wie Freizeit kaum.“Bestenfall­s der Sonntagnac­hmittag nach der Kirche oder eben kirchliche Feiertage und Anlässe hätten Raum dafür gegeben. Heute feiern Fauser zufolge noch gut 700 Thüringer Orte die zur „Kirmes“verkürzten Kirchweihf­este.

Der Experte verweist auf einen weiteren Ursprung der größeren Volksfeste: Märkte. So sei das mittlerwei­le größte Thüringer Volksfest, der Weimarer Zwiebelmar­kt, im 17. Jahrhunder­t als Markt gestartet, bei dem Besucher ihre Vorräte an Zwiebeln und anderem Gemüse für den Winter auffüllen konnten. Inzwischen kommen zu dem Fest im Herbst regelmäßig mehr als 300.000 Besucher. Ganz ähnlich ist auch die Geschichte des Arnstädter Wollmarkts. Das Traditions­fest geht am letzten Juni-Wochenende in seine 170. Ausgabe und nahm als reiner Markt für Wolle und Naturwaren seinen Anfang. (dpa)

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Großen Andrang gab es am Wochenende beim Krämerbrüc­kenfest in Erfurt.

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