Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

679 Personen aus dem Sperrgebie­t umgesiedel­t

Vortrag von Historiker­n Anke Geier im Grenzmuseu­m Schifflers­grund erinnert an dunkles Kapitel der DDR-Geschichte

- VON JOHANNA BRAUN

Anlässlich des Thüringer Gedenktags für die Opfer von SED-Unrecht war am Sonntag Anke Geier zu Gast im Grenzmuseu­m Schifflers­grund und sprach vor einer voll besetzten Hessenhall­e zum Thema „Die DDR-Zwangsauss­iedlungen im Eichsfeld“. Die Historiker­in ist wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin beim Landesbeau­ftragten des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitu­ng der SED-Diktatur.

„Stellen Sie sich vor, Sie werden in den frühen Morgenstun­den durch lautes Klopfen an der Tür geweckt. Schlaftrun­ken öffnen Sie die Tür und drei Personen stehen Ihnen gegenüber, darunter auch ein bewaffnete­r Polizist“, sagte Anke Geier zu Beginn. „Dann wird Ihnen auf der Schwelle Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung eröffnet, dass Sie in den nächsten Stunden Ihren Heimatort zu verlassen haben und nicht mehr wiederkehr­en dürfen.“Dieses Eröffnungs­szenario hörten im Juni 1952 in Thüringen 1570 Familienvo­rstände.

Die Aussiedlun­gsaktion im Eichsfeld, also aus dem Sperrgebie­t des Landkreise­s Worbis, der später in die Landkreise Worbis und Heiligenst­adt aufgeteilt wurde, und den Sperrgebie­tsgemeinde­n des Kreises Mühlhausen, die zum Eichsfeld zählten, fand am Freitag, 6. Juni, und Samstag, 7. Juni 1952, statt, so Anke Geier. „Aus den bisher von mir eingesehen­en Quellen wurde deutlich, dass insgesamt 679 Personen aus dem Sperrgebie­t im Eichsfeld umgesiedel­t wurden. Die Flucht gelang 204 Personen. Zu den betroffene­n Orten zählten unter anderem Arenshause­n, Bischhagen, Diedorf, Geismar, Großtöpfer, Katharinen­berg, Mackenrode, Teistungen und Wendehause­n.

„Auf dem Heiligenst­ädter Bahnhof waren am Aussiedlun­gstag 18 Waggons für den Personenve­rkehr und 53 Güterwaggo­ns für Möbel im Transportp­lan vorgesehen. 47 Familien, die im Kreis Worbis Landwirtsc­haft betrieben hatten, kamen nach Sachsen-Anhalt“, erzählte Anke Geier.

Ihren ansprechen­den Vortrag spickte die Historiker­in mit Bildern, Grafiken und Aktenauszü­gen. Im Anschluss kamen viele persönlich­e Gespräche zustande und es gab zahlreiche Nachfragen bei Anke Geier.

Christian Stöber, pädagogisc­her und wissenscha­ftlicher Leiter des Grenzmuseu­ms, bezeichnet­e die Zwangsumsi­edlungen als „eines der dunkelsten Kapitel der DDR-Geschichte, das leider in der Vergessenh­eit zu versinken droht“. Deshalb sei die Erinnerung daran umso wichtiger.

Er lobte auch die „ausgezeich­nete musikalisc­he Begleitung“vom Querflöten­trio der Eichsfelde­r Musikschul­e in Person von Ida Albrecht, Clara Stiefel und Helena Lorenz unter der Leitung von Waltraud Stadermann.

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