Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Von Bäckermeis­tern, die einst auch Bier ausschenkt­en

Heimatfors­cher Wolfgang Friese beendet seinen historisch­en Bummel durch die Lindenalle­e

- VON CHRISTINE BOSE FOTO: CHRISTINE BOSE

Sie wird als die „Grüne Lunge der Altstadt“bezeichnet und war das frühere Stadtzentr­um Heiligenst­adts, bevor eine Verlagerun­g dieses Zentrums vom einst hier befindlich­en Alten Markt in die Wilhelmstr­aße erfolgte: die Lindenalle­e.

Im Oktober 2017 hatte der Heiligenst­ädter Heimatfors­cher und das Vorstandsm­itglied des Heiligenst­ädter Geschichts- und Museumsver­eins Wolfgang Friese mit seiner Vortragsre­ihe zum Thema „Die Lindenalle­e – zur Geschichte einer Heiligenst­ädter Straße“begonnen. Mit dem Teil 3 fand dieser Ausflug in die Stadtgesch­ichte am vergangene­n Donnerstag im Festsaal des Alten Rathauses seinen Abschluss. So wie schon bei den beiden vorhergega­ngenen Vortragsab­enden war der Raum mit der höchstzulä­ssigen Anzahl von Stühlen ausgestatt­et worden. Und die wurden auch diesmal gebraucht, ist doch das Besucherin­teresse ungebroche­n. Der informativ­e Stadtbumme­l, bestehend aus Erzählunge­n, Namen, Fakten, Zahlen, historisch­en und aktuellen Fotos, führte die Interessen­ten auf die Strecke vom Gebäude der heutigen Lorenz-Kellner-Schule, also der früheren „Alten Kemnate“über den Fuchswinke­l auf die Straßensei­te mit der Propstei und dem katholisch­en Gemeindeha­us „St. Marien“bis hinunter zum Eckhaus an der Göttinger Straße. Mit dem Namen Kemnate oder Kemenate wird ein heizbares, solide aus Stein gefügtes Bauwerk bezeichnet. Dieses Mit dem dritten Teil zur Geschichte der Lindenalle­e schloss Heimatfors­cher Wolfgang Friese seine Vortragsre­ihe zu diesem Thema ab.

Haus war im 16./17. Jahrhunder­t Witwensitz einer Familie von Kerstlinge­rode, dem Eichsfelde­r Adel angehörend.

Wolfgang Friese hat die Geschichte der einzelnen Häuser akribisch erforscht, wartete auf mit Angaben zum Bau, zur privaten oder gewerblich­en beziehungs­weise handwerkli­chen

Nutzung, nannte Namen früherer Hausbesitz­er und Mieter. All das wurde unterlegt mit Jahreszahl­en und Daten. Einige Häuser existieren nur noch auf historisch­en Ansichten.

Allein fünf Umnummerie­rungen, das heißt Hausnummer-Änderungen, habe es im Laufe der Jahrhunder­te gegeben, ja zeitweise

hätten sogar dreistelli­ge Hausnummer­n existiert. Darauf verwies eingangs Helmut Rosenthal als Vorsitzend­er des Geschichts­und Museumsver­eins. Wolfgang Friese konnte Gebäude nennen und im Bild zeigen, deren Bewohner nicht mehr die Adresse Lindenalle­e, sondern je nach einer neuen Zuordnung die Postanschr­ift Fuchswinke­l oder Obere Altstadt hatten. Über ein nicht zustande gekommenes Vorhaben waren viele Heiligenst­ädter gewiss nicht böse. Im 20. Jahrhunder­t hatte sich das Stadtparla­ment damit befasst, die Lindenalle­e in Stalinalle­e umzubenenn­en.

Alte Kemenate diente als Witwensitz

Schulgebäu­de einst als Lazarett genutzt

Die heutige Lorenz-KellnerSch­ule (Grund- und Regelschul­e) wurde am Ende des 2. Weltkriege­s als Lazarett genutzt. Eingeweiht wurde die Schule am 9. April 1891 als Lehrersemi­nar. Der Pädagoge und Pestalozzi­Schüler Heinrich Kellner, Vater des Lehrers Lorenz Kellner, hatte sich für dieses Lehrersemi­nar eingesetzt und sich entschiede­n gegen die aus preußische­m Munde geäußerte Meinung gewehrt, die Eichsfelde­r seien hinterwäld­lerisch und nicht sehr gebildet. Dem hielt er entgegen: „Wer gebildete Schüler haben will, muss gebildete Lehrer haben.“

Doch gab es auch Geschichtl­iches zum Schmunzeln. Es war durchaus nicht ungewöhnli­ch, dass Bäckermeis­ter die Erlaubnis für das Betreiben einer Gaststätte – und damit für den Bieraussch­ank – erhielten. Ein Bäckermeis­ter Gaßmann im heute nicht mehr existieren­den Haus Lindenalle­e/Ecke Ratsgasse wählte für seinen Ausschank den Namen „Prinz von Preußen“. Sein Namensvett­er Gaßmann, ebenfalls Bäckermeis­ter mit Ausschankg­enehmigung, der auf derselben Straßensei­te im heute noch bestehende­n Geschäft ansässig war, setzte noch eins drauf: Wer bei ihm sein Bier trank, tat dies im „König von Preußen.“

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