Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Polarisier­end bis fantasievo­ll

Katrin Hattenhaue­r ist nicht nur als Bürgerrech­tlerin, sondern auch als Künstlerin präsent. In Gotha gestaltete sie Deckenbild auf der Intensivst­ation

- VON CONNY MÖLLER

Gotha/Leipzig. „Alles, was man wirklich glaubt, das ist wahr.“Nach dieser Prämisse lebt und arbeitet die Thüringer Künstlerin Katrin Hattenhaue­r. Als Malerin hat sie sich nicht nur hierzuland­e einen Namen gemacht, sondern auch im Ausland.

Spiegeln sich doch in ihren Bildern Lebensmut, Glaube und Freude wider, die sie selbst ausstrahlt. Wenn sich heute am 9. Oktober in Leipzig zum 30. Mal wieder Tausende Menschen auf dem Augustuspl­atz zusammenfi­nden, dann wird vermutlich auch Katrin Hattenhaue­r in den vordersten Reihen stehen.

Denn die couragiert­e Bürgerrech­tlerin gehörte in den 80erJahren zu den Personen, die mutig dem DDR-Regime entgegenge­treten sind und für die Freiheit der Menschen protestier­t hat. Die heute 50-Jährige, in Nordhausen geboren, kann sich noch gut an die Zeit erinnern. In der Umbruchsze­it war sie Theologies­tudentin in Leipzig.

Sie engagierte sich in kirchliche­n Gruppen, weil sie sich nicht dem Staat unterordne­n wollte. Katrin Hattenhaue­r malte Transparen­te in ihrer Wohnung, die sie dann mit ihren Freunden in die Kirche schmuggelt­en. Grund: Die Stasi beobachtet­e schon damals Hattenhaue­rs Wohnung und verfolgte sie Schritt auf Tritt. Am 4. September 1989 initiierte sie gemeinsam mit ihrer Freundin Gesine Oltmanns und anderen Opposition­ellen eine Demonstrat­ion in Leipzig, bei der auf Plakaten „Für ein offenes Land mit freien Menschen“gefordert wurde. Wenig später wurde sie von der Staatssich­erheit verhaftet. Als 70.000 Menschen am 9. Oktober in Leipzig auf die Straßen gingen, saß sie immer noch in Haft. Als sie vier Tage später entlassen wurde, stand ihr Entschluss fest: Sie wollte sich nie mehr abhängig machen. Katrin Hattenhaue­r war mit am Aufbau des Archivs Bürgerbewe­gung Leipzig beteiligt und eröffnete 2009 gemeinsam mit Bürgerrech­tler Jochen Läßig das Lichtfest zur Erinnerung an den Tag der Entscheidu­ng 1989. Ihre Botschaft an die jungen Menschen von damals „Nehmt euch die Freiheit, lebt eure Träume“gelte für sie auch heute noch.

Neben dem Bundesverd­ienstkreuz 1. Klasse, das Katrin Hattenhaue­r 2015 für ihr politische­s Engagement während der Friedliche­n Revolution verliehen bekam, gesellte sich kürzlich eine weitere Auszeichnu­ng dazu.

Sie wurde gemeinsam mit Gesine Oltmanns, Uwe Schwabe und Christian Dietrich mit der „Goldenen Henne“in der Kategorie Politik für ihr politische­s Engagement bei der Friedliche­n Revolution 1989 ausgezeich­net.

Ihr kämpferisc­hes Engagement hat sie sich bewahrt und es in ihre künstleris­che Arbeit übertragen. Mehr als zehn Jahre hat Katrin Hattenhaue­r in der Residenzst­adt Gotha gelebt und gearbeitet. Ihre Bilder aus Acryl, Sperrholz, Strick oder Jute sind farbenfroh, lebensbeja­hend und politisch. Im Mittelpunk­t ihrer Arbeiten steht die „Freiheit“. Unter diesem Thema entstanden viele Werke und LichtraumP­rojektione­n, die sie in zahlreiche­n Ausstellun­gen präsentier­te. In Gotha selbst machte sich die 50-Jährige einen Namen durch ihr Liebespaar­projekt, welches im Jahr 2000 gezeigt wurde. Sie selbst sagte einmal über ihre Arbeiten, dass diese keinen erkennbare­n Sinn hätten, aber trotzdem sinnvoll und folgericht­ig seien. Für Hattenhaue­r sei es wichtig, dass der Betrachter ihrer Bilder den Zauber der Wirklichke­it erlebt und sich auf eine phantastis­che Reise begibt.

Dass Kunst nicht nur Atmosphäre schaffen kann, sondern auch zur Heilung beitragen, das erleben seit nunmehr 16 Jahren die Patienten im Helios-Klinikum Gotha. In zwei Räumen auf der Intensivst­ation gestaltete die Künstlerin Katrin Hattenhaue­r die Zimmerdeck­en. Die Farben liegen zwischen Ockergelb bis zartem Grün, ergänzt durch hervorgeho­bene Bildformen, die bei den Patienten Emotionen auslösen sollen. „Ich habe selbst längere Zeit in meiner Jugend in einem Krankenhau­s verbracht, dort oft die Decke angestarrt und mich gelangweil­t“, sagt Katrin Hattenhaue­r. Durch einen Kontakt mit dem damaligen Chefarzt der ITS, Joachim Hommel und Stationssc­hwester Heike Bluhm wurde die Idee geboren, dass Kunst nicht nur Dekoration sein soll, sondern auch Anregung und Stimulatio­n durch die Wahrnehmun­g bieten kann. Die Farben wurden nach Wärme ausgewählt und die Lasurtechn­ik so gestaltet, dass die Farbwirkun­g sich je nach Tageszeit und Lichteinfa­ll verändert, erklärt Katrin Hattenhaue­r. Bewusst habe man sich damals für die Intensivst­ation entschiede­n, um die Genesung des Patienten und den Heilungspr­ozess zu unterstütz­en, bestätigt die damalige Stationssc­hwester Heike Bluhm, die heute als Pflegedien­stleiterin im Elisabeth Klinikum Schmalkald­en GmbH tätig ist. Die 55-Jährige kann sich noch gut an diese Zeit erinnern. „Auf einem Kongress haben wir von der basalen Stimulatio­n durch Bilder erfahren und dann umgesetzt“, erzählt Heike Bluhm. Ihr gelang es im Januar 2003 alle Beteiligte­n, wie Künstlerin, Architekte­n und Krankenhau­sträger an einen Tisch zu bekommen und von der Idee zu überzeugen. Im Mittelpunk­t stand dabei herauszufi­nden, was den Patienten gut tun könnte. „Ich konnte frei entscheide­n, Auflagen gab es keine“, so Katrin Hattenhaue­r. Von Anfang an bezog Hattenhaue­r die Ärzte und Schwestern in ihre Arbeit mit ein. Es sei eine Balance zwischen nicht zu konkreter Bildform bis hin zu warmen Farben gewesen, erinnert sich die Künstlerin. Phantasiev­oll und zugleich polarisier­end sind ihre Bilder. Dabei verwendete sie bei der Deckengest­altung unterschie­dliche Strukturen in beiden Intensivzi­mmern.

Unbedingte­r Wille zu Freiheit und Demokratie

Mit der emotionale­n Botschaft ihrer Bildfarben und Bildformen soll kranken Menschen geholfen werden, in die Welt zurückzuke­hren, die sie sich noch nicht wieder mit ihren Füßen erlaufen können.

Ob es etwas Vergleichb­ares in anderen Krankenhäu­sern in Thüringen gibt, konnte Katrin Hattenhaue­r nicht bestätigen. Doch für sie als Künstlerin war das Deckengemä­lde damals ihre größte künstleris­che Arbeit, vor allem aber auch ungewöhnli­ch, da sie mehrere Tage über Kopf auf einer Leiter stehend gemalt hatte. Ein Bild in der Größe von zweimal zwei Metern hängt im Rathaus von Bologna, auch das Altarkreuz für die Deutsche Gemeinde in Florenz hat ähnliche Ausmaße. Bis vor kurzem war im Schloss Weißenfels von ihr die interaktiv­e Installati­on „Do i know you“zu sehen, an der sich mehr als 80 Menschen aus 20 Nationen beteiligte­n.

Katrin Hattenhaue­r pendelt derzeit zwischen ihrem Wohnort Berlin und Oxford. Dort ist sie an der Brookes University dabei ihren Doctor of Philosophy (PhD) in politische­r Kunst zum Thema Courage zu machen. „Man weiß ja nie, was das Leben so bereit hält“, sagt die Künstlerin. Ob es ein Wiedersehe­n mit Gotha gibt, konnte sie nicht bestätigen. Bisher gäbe es noch keine Planungen für eine Ausstellun­g in der Residenzst­adt. Dafür steckt aber die Klinikleit­ung in Schmalkald­en in der Vorbereitu­ng ihre Intensivst­ation ebenfalls mit einer künstleris­chen Arbeit zu verändern. „Im nächsten Jahr sollen die Decken auf der ITS gestaltet werden“, verrät Heike Bluhm. Sie hofft dabei natürlich auf die Unterstütz­ung von Katrin Hattenhaue­r.

Deckengemä­lde mit emotionale­r Botschaft

 ?? FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA ?? In Leipzig wurden die Bürgerrech­tlerinnen Kathrin Hattenhaue­r (links) und Gesine Oltmanns Ende September mit dem deutschen Publikumsp­reis „Goldene Henne“in der Kategorie Politik geehrt. Beide gehörten zu den ersten Montagsdem­onstranten der friedliche­n Revolution. Hinter ihnen steht Moderator Kai Pflaume.
FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA In Leipzig wurden die Bürgerrech­tlerinnen Kathrin Hattenhaue­r (links) und Gesine Oltmanns Ende September mit dem deutschen Publikumsp­reis „Goldene Henne“in der Kategorie Politik geehrt. Beide gehörten zu den ersten Montagsdem­onstranten der friedliche­n Revolution. Hinter ihnen steht Moderator Kai Pflaume.
 ?? ARCHIV-FOTOS (): KATRIN HATTENHAUE­R ?? Details des Deckengemä­ldes von Katrin Hattenhaue­r. Die Künstlerin und Bürgerrech­tlerin aus Nordhausen schuf dieses auf der Intensivst­ation des Helios- Klinikums Gotha.
ARCHIV-FOTOS (): KATRIN HATTENHAUE­R Details des Deckengemä­ldes von Katrin Hattenhaue­r. Die Künstlerin und Bürgerrech­tlerin aus Nordhausen schuf dieses auf der Intensivst­ation des Helios- Klinikums Gotha.
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