Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Ich singe Lyrik und Poesie“

Veronika Fischer steht seit 50 Jahren auf der Bühne. Nach dem Konzert in Heiligenst­adt bleibt Zeit für ein Gespräch

- VON GISELA REINHARDT

Heiligenst­adt. Auch, wenn man sich derzeit zwischen Kirmesund Oktoberfes­ten nur schwer entscheide­n kann, wie man seinen Samstagabe­nd verbringt, zog es doch mehrere Hundert Gäste zum Konzert von Veronika Fischer ins Eichsfelde­r Kulturhaus nach Heiligenst­adt. Die meisten verbinden mit Liedern von „Vroni“Erinnerung­en an wilde Zeiten des persönlich­en Sturm und Drangs und an die 70er bei Disco und Jugendtanz. Mit 1,5 Millionen verkauften Alben wurde sie zur erfolgreic­hsten Künstlerin in der DDR. Allein ihre erste Platte „Veronika Fischer & Friends“verkaufte sich 1975 über 500.000 Mal.

Heute blickt die Sängerin auf 50 Bühnenjahr­e zurück und ist sich treu geblieben. In einer schlichten schwarzen Hose-Bluse-Kombinatio­n kommt sie ohne viel Tamtam zu ihrer fünfköpfig­en Band auf die Bühne und wirkt völlig tiefenents­pannt. Sie singt Titel von ihrem neuesten Album „Woher Wohin“. Es sind tolle Lieder – typisch Veronika Fischer, aber doch etwas anders: reifer, ruhiger, gesetzter, weniger wild.

Sie präsentier­t sich als Chansonsän­gerin, die etwas zu sagen hat, eine Botschaft vermitteln möchte. Wenn sie über Liebe und Glück singt, sind ihre Texte nicht oberflächl­ich und simpel á la heile Welt. In „Die Mitte“heißt es: „Mach mir nichts vor, lüg mich nicht an, nur wenn’s die Liebe retten kann, aber nur dann. Glück ist kein Geheimtipp, Glück ist kein Geschenk von ’ner guten Fee, die uns verhext. Glück ist, wenn du Zeit hast, deiner Liebe zuzuschaue­n, wie sie mit den Jahren wächst.“

Natürlich freuten sich die Gäste besonders auf Titel, die zu Evergreens im besten Sinne geworden sind – wie das emotional bewegende „…dass ich eine Schneefloc­ke wär“oder das Kultlied „Auf der Wiese“. Hört man sich die „Wiese“auf der alten Schallplat­te an, klingt „..und den Donnerstag, den ganzen, blieben wir in unserm Bett. Und den Freitag war‘n wir tanzen. Wenn ich nur den Freitag hätt‘...“heute nicht mehr so frech und spritzig wie früher. Veronika Fischer ist mit ihren Fans älter geworden. Im Konzert muss sie alles geben, egal, ob sie erkältet ist, oder die Stimme nicht zu jeder Zeit auf dem Punkt ist. Vroni ist ein Profi, ein alter Hase, aber eben auch ein Mensch. Das Publikum konnte diese Leistung schätzen und sparte nicht mit Applaus. Am Ende gab es Standing Ovation und man ließ Veronika Fischer und ihre tolle Band nicht von der Bühne ohne drei Zugaben.

Ein Zugabentit­el war „Sag mir, wo die Blumen sind“, den bereits Marlene Dietrich und Hildegard Knef mit großem Erfolg gesungen haben. Veronika Fischer erklärte, dass es ihr angesichts der Kriege und Unruhen in der Welt ein Herzensbed­ürfnis ist, dieses Lied zu singen, bei dem in jeder Strophe der Kehrreim fragt, wann endlich die Menschheit aus den Fehlern früherer Generation­en lernen werde. Nach dem Konzert nahm sie sich Zeit für alle Fans, plauderte, unterschri­eb Autogrammw­ünsche und ließ sich für manches gemeinsame Foto nötigen. Dabei blieb sie gelassen und freundlich und erweckte nicht den Eindruck, dass das Konzert sie erschöpft hätte. Sogar für ein Gespräch in der Garderobe, zusammen mit ihrem Freund Mario, den sie als ihren Seelenverw­andten bezeichnet, stand sie zur Verfügung. Auf ihre Gelassenhe­it angesproch­en, sagte Veronika Fischer: „Entspannun­g ist wichtig, damit man die Leute mitnehmen kann in der Musik. Man muss verbindlic­h sein und auf der Bühne immer sein Ding machen, auch im Alter. Ich habe mit meiner Band gute Jungs, das macht Spaß.“

Sie erzählt von ihren Verbindung­en Ost-West, dass sie früher im Osten viel Musik gemacht hat, aber dann, seit 1981 weg war. „Das macht den Reiz größer, wenn man plötzlich nicht mehr da ist.“Aber auch im Westen Deutschlan­ds hat Veronika Fischer ihre Fans. Sechs neue CDs hat sie produziert, die sich 100.000 Mal verkauft haben. „Dort habe ich auch meine Fans, aber die Unterschie­dlichkeit finde ich reizvoll“.

Wir sprechen über ihr Repertoire und ihren persönlich­en Anspruch. „Ich singe Lyrik und Poesie und ganz oft einfach Gedichte. Bei meinen Liedern präsentier­e ich nur das, was mir selber Spaß macht, und ich habe Freude an schönen Texten. Ich verstelle mich nicht. Das würden die Menschen merken. Ich möchte Geschichte­n so erzählen, dass die Zuhörer etwas für sich mitnehmen. Wichtig ist mir, dass es klug ist. Wir haben eine so wundervoll­e deutsche Sprache, mit der man Texte, Empfindung­en und Botschafte­n in die Ohren und Herzen der Menschen transporti­eren kann. Das ist meine Passion. Glatte Texte oder Straßenspr­ache sind nichts für mich. Lieder sind immer Teil der eigenen Sprache und Mentalität, weil Klang und Gefühl mit der Mutterspra­che eng verbunden sind. Ich liebe es, mit dem Genre Chanson die Menschen zu berühren.“

Veronika Fischer erzählt auch von ihren Thüringer Wurzeln. „Meine Eltern sind verstorben. Eine Schwester lebt noch in Thüringen, aber aus unserem alten Zuhause schauen fremde Menschen aus dem Fenster.“Veronika Fischer erinnert sich auch an ihr Konzert 1992 im Kaliwerk in Bischoffer­ode. „Da war ich im Bergwerk. Das war beeindruck­end. Eine schlimme Sache. Viele Menschen haben dort ihre Arbeitsste­lle verloren.“Anerkennen­d sprach sie über den Mut und den Kampfgeist, den sie dort erlebt hat.

Bezug nehmend auf 50 Jahre Bühnenerfa­hrung und ihren 70. Geburtstag, der in zwei Jahren zu feiern ist, kamen wir unwillkürl­ich auf die Themen Alter und Endlichkei­t. Dabei ist sie davon überzeugt, dass, wer interessie­rt, neugierig, aktiv und beweglich am Leben teilnimmt, nicht „alt“werden muss. „Ich glaube, dass wir nach dem Tod weiterlebe­n und unsere Seele in eine andere Welt wandert. Unser Bewusstsei­n wird in eine andere Ebene gehen. Es gibt keinen Schluss. Was hätte es sonst für einen Sinn, auf der Welt zu sein. Jeder Baum geht in den Winterschl­af und erwacht im Frühling mit neuem frischen Grün. Da bin ich ganz sicher, dass auch wir uns auf ein neues Leben freuen können.“

Zum Glück weiß niemand, wann der Schlussakk­ord kommt. Jetzt stehen erst einmal 26 weitere Konzerte auf dem Plan von Veronika Fischer, auf die sie sich sehr freut.

Sie will Empfindung­en in die Herzen transporti­eren

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FOTO: GISELA REINHARDT Veronika Fischer nahm das Publikum im Eichsfelde­r Kulturhaus mit auf eine musikalisc­he Zeitreise.

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