Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Trabis, Kränze und Gebete
Thüringen feiert mit den Nachbarländern den 30. Jahrestag der Grenzöffnung
Hessen und Thüringen haben gemeinsam an den Fall der Mauer vor 30 Jahren erinnert. Der Festakt fand an einem besonderen Ort statt: Das Dorf Großburschla an der Grenze zwischen den Bundesländern litt besonders unter der deutschen Teilung. „Die Mauer in Berlin, das ist ein Bild, das kennt die ganze Welt“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Samstag. Doch es gehe auch um die Leute im Schatten dieser Ereignisse wie die Menschen in Großburschla. Sie seien von drei Seiten eingezäunt gewesen und hätten das Gefühl gehabt, Gefangene zu sein. Der Ort durfte nur von Einwohnern oder mit Sondergenehmigung betreten werden.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mahnte, dass man auch an die Vorgeschichte der deutschen Teilung erinnern müsse. Er bezog sich auf die Novemberpogrome, bei denen die Nationalsozialisten Juden ermordeten.
Begonnen hatte die Gedenkfeier am Morgen mit einem ökumenischen Gottesdienst in Großburschla. Danach legten Ramelow und Bouffier Kränze auf der Werrabrücke
zwischen den Bundesländern nieder. Gefeiert wurde auch mit einem Hauch von Ostalgie: Der Gedenkmarsch ins hessische Wanfried-Heldra führte an einem Konsum-Imbiss mit Ost-Spezialitäten vorbei. Dort gab es DDR-Bier und Halloren-Kugeln zu probieren. Vor dem Festzelt erwartete die Ministerpräsidenten ein Trabi.
Zu einem Festakt des Grenzlandmuseums Eichsfeld in Teistungen kamen am Sonntag Thüringens Kulturstaatssekretärin Babette Winter und der niedersächsische Kultusminister Grant-Hendrik Tonne
(SPD). Der Grenzübergang Teistungen zwischen Worbis und Duderstadt war im November 1989 der erste auf Thüringer Gebiet, der freigegeben wurde – um 00.35 Uhr am 10. November 1989.
Im thüringisch-bayerischen Grenzdorf Mödlareuth durchbrach ein Trabikorso noch einmal symbolisch eine eigens aus Styropor errichtete Mauer. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sowie Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) hatten zuvor an den Mut der Revolutionäre in der DDR erinnert.
Ein Sieg, aber wieder keine klare Mehrheit: Auch die Neuwahl am Sonntag brachte Spaniens bisherigem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez nicht den erhofften Durchbruch. Nach dem offiziellen vorläufigen Ergebnis von Sonntagabend liegt der Sozialist zwar deutlich vor seinem Rivalen, dem konservativen Oppositionsführer Pablo Casado – doch reicht dieses Ergebnis nicht, um eine stabile Regierung bilden zu können. Damit droht die politische Hängepartie weiterzugehen, die Spanien bereits seit Monaten lähmt.
Es war ein bitterer Sieg für Sánchez’ Sozialisten. Entsprechend gab es am Sonntagabend in der Madrider Zentrale lange Gesichter, denn die Partei hat mit dieser Wahlwiederholung ihre Position nicht verbessern können. Eher im Gegenteil: Sie verlor wenigstens drei Abgeordnete und blieb mit 28,1 Prozent leicht unter dem Ergebnis von April 2019. Damals holten die Sozialisten 28,7 Prozent. Die Feier im Sozialisten-Hauptquartier fiel deswegen aus.
Der 47-jährige Sánchez, der seit April nur noch geschäftsführend im Amt ist, müsste sich also wieder links oder auch rechts seiner sozialdemokratisch ausgerichteten Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) Unterstützung suchen. Er braucht im Parlament eine Mehrheit, welche eine Minderheits- oder eine Koalitionsregierung absegnen muss. Einen entsprechenden parlamentarischen Pakt hatte er bereits nach den Wahlen im April, die er mit einem ähnlichen Ergebnis gewonnen hatte, angestrebt – aber ohne Erfolg. Deswegen musste nun die Parlamentswahl wiederholt werden.
Rechtspopulisten sind die heimlichen Gewinner
Zum heimlichen Gewinner der Wahl wurde die rechtspopulistische Partei Vox, die vor dem Madrider Parteisitz von tausenden Anhängern bejubelt wurde. Den europaund fremdenfeindlichen Rechtspopulisten stiegen zur drittstärksten Kraft im spanischen Parlament auf. Vox konnte die Zahl ihrer Parlamentssitze von bisher 24 auf nahezu 52 mehr als verdoppeln. Dies entspricht etwa 15,1 Prozent der Stimmen (April 2019: 10,3). Die Rechtsaußenpartei plädiert für ein hartes Durchgreifen im Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien und will die katalanischen Separatistenparteien verbieten lassen.
Im linken Spektrum herrscht derweil Katerstimmung. Die linke Partei Podemos (Wir Können), potenzieller Bündnispartner der Sozialisten, erlitt leichte Einbußen und landete bei 12,8 Prozent (April 2019: 14,3). Hinzu kommt im linken Spektrum die neue Podemos-Abspaltung Más País (Mehr Land), die ebenfalls mit den Sozialisten kooperieren will und mit wenigstens zwei Abgeordneten erstmals ins Parlament
einzieht. Den progressiven Parteien steht ein etwa gleich starkes konservatives Dreier-Bündnis gegenüber, das von der konservativen Volkspartei (PP) angeführt wird. Der PP steigerte sich auf 20,8 Prozent. Damit könnte sich die Volkspartei unter ihrem jungen Vorsitzenden, dem 38-jährigen Pablo Casado, wieder erholen. Im April 2019 hatte die PP mit 16,7 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren.
PP, die rechtspopulistische Vox und die bürgerlich-liberale Partei Ciudadanos (Bürger) sind im Prinzip bereit, gemeinsam zu regieren – so wie sie es bereits in drei spanischen Regionen machen. Allerdings kommen sie zusammengerechnet ebenfalls nicht auf eine Mehrheit im nationalen Parlament. PP und Vox gewannen zwar hinzu, Ciudadanos aber stürzte auf 6,8 Prozent ab (April 2019: 15,9). Das Zünglein an der Waage in der sich abzeichnenden Patt-Situation im neuen spanischen Parlament könnten erneut die katalanischen Separatisten sein. Sie wollen sich aber teuer verkaufen. Sie würden eher eine sozialistische als eine konservative Regierung unterstützen, fordern jedoch Zugeständnisse auf dem Weg zur von ihnen angestrebten katalanischen Unabhängigkeit von Spanien.
Die Wahlbeteiligung lag mit 69,9 Prozent geringfügig unter jener der vergangenen Wahl im April, als 71,8 Prozent der Berechtigten abstimmten. Soziologen hatten davor gewarnt, dass diese Wahlwiederholung die Zahl der Stimmverweigerer in die Höhe treiben könnte: Es war bereits die vierte Parlamentswahl in den letzten vier Jahren. Seit Ende 2015 wird Spanien von wackeligen Minderheitskabinetten regiert. Bis Mai 2018 war die Volkspartei am Ruder. Dann kam per Misstrauensvotum der Sozialist Sánchez an die Macht.
Der Wahlkampf war völlig von der Katalonienkrise bestimmt worden. Sozialisten und Konservative warfen sich gegenseitig vor, bei der Lösung des Unabhängigkeitskonflikts versagt zu haben. Die Debatte um die Zukunft Kataloniens war durch die Verurteilung von mehreren Separatistenführern zu hohen Gefängnisstrafen angefacht worden. Sánchez tritt in Sachen Katalonien für einen mäßigenden Kurs ein und will den Konflikt mit dem Angebot einer größeren regionalen Selbstverwaltung lösen. Der konservative Oppositionschef Casado lehnt derweil jegliche Gespräche mit der katalanischen Separatistenführung ab.