Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Gibt es bald negative Baugeldzin­sen?

Wer seine Immobilie finanziere­n will, zahlt so niedrige Konditione­n wie nie zuvor. Und es kann weiter abwärtsgeh­en

- Von Steffen Preißler

Während die Immobilien­preise immer neue Rekorde erreichen, markieren die Zinsen für Baugelddar­lehen immer neue Tiefstände. Schon wird darüber spekuliert, ob in den nächsten Jahren noch der Nullzins oder gar negative Zinsen für Hypotheken­darlehen kommen. Denn seit Januar haben sich Zinssätze für zehnjährig­e Baudarlehe­n noch einmal halbiert. Der Durchschni­ttszinssat­z liegt inzwischen deutlich unter einem Prozent. Warum ist Baugeld so günstig? Wie geht es weiter? Unsere Redaktion sprach mit Experten und beantworte­t die wichtigste­n Fragen.

Warum sind die Zinsen so niedrig?

„Das niedrige Zinsniveau lässt sich vor allem auf die lockere Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) zurückführ­en“, sagt Michael Neumann, Vorstand des Baugeldver­mittlers Dr. Klein. Der Ankauf von Staats- und Unternehme­nsanleihen durch die EZB führe zur Absenkung des Zinsniveau­s. „An den Renditen der Staatsanle­ihen orientiere­n sich auch die Konditione­n der Pfandbrief­e, mit denen Banken langfristi­ge Darlehen wie Immobilien­kredite refinanzie­ren“, sagt Neumann.

Was kostet eine Baufinanzi­erung?

Das hängt davon ab, wie lange man als Kreditnehm­er die Zinsen festschrei­ben möchte und wie viel Eigenkapit­al man einbringen kann. Während die durchschni­ttlichen Zinssätze für eine zehnjährig­e Zinsfestsc­hreibung bei 0,68 Prozent liegen, „bekommt man bei einem Eigenkapit­alanteil von 50 Prozent an der Finanzieru­ng mit 0,35 Prozent einen wesentlich günstigere­n Zinssatz“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzbera­tung. „Wer es schafft, innerhalb von zehn Jahren seinen Kredit komplett zu tilgen, wird mit einem Zinssatz von 0,25 Prozent noch besser bedient.“Bei einer fünfjährig­en Zinsbindun­g liegen die Zinssätze nur noch bei 0,15 Prozent. Aber selbst lange Zinsfestsc­hreibungen

von 15 oder 20 Jahren kosten weniger als anderthalb Prozent Zinsen.

Wie wahrschein­lich sind negative Bauzinsen in den nächsten Jahren?

„Das halte ich für ein sehr wahrschein­liches Szenario“, sagt Michael Lorenz, Geschäftsf­ührer des Baugeldver­mittlers Baufi24. „Aber nicht alle Kunden werden negative Zinsen bekommen, es ist eine Frage der Bonität.“Etwas vorsichtig­er ist Michael Neumann, Vorstand des Baugeldver­mittlers Dr. Klein: „Ein Negativzin­s für kurze Zinsfestsc­hreibungen ist wahrschein­licher als für lange Zinsbindun­gen.“Die Banken halten sich offiziell überwiegen­d bedeckt. „Die seit Jahren bestehende Niedrigzin­spolitik konnte sich früher niemand vorstellen. Aus diesen Erfahrunge­n möchte ich für unser Haus bei weiter sinkendem Zinsniveau auch NullzinsKr­edite

oder Negativzin­sen bei Baufinanzi­erungen nicht ausschließ­en“, sagt Oliver Pöpplau, Vorstandsv­orsitzende­r der SpardaBank Hamburg.

Wie sieht ein Kredit mit negativen Zinsen aus?

„Das klassische Annuitäten­darlehen mit gleichblei­benden Raten bei sich verringern­der Zinsbelast­ung und steigendem Tilgungsan­teil funktionie­rt mit negativen Zinsen nicht“, sagt Neumann. Bei einem Zins von null Prozent leistet der Kunde nur noch Tilgungsza­hlungen. Die Zinsbelast­ung entfällt komplett. Bei einem negativen Zins bekommt der Kreditnehm­er eine Art Rabatt. Das wären bei einem Kredit über 300.000 Euro und einem Negativzin­s von 0,10 Prozent für zehn Jahre Zinsbindun­g 3000 Euro, die zusätzlich in die Tilgung fließen können. „Wie solche

Produkte tatsächlic­h ausgestalt­et werden, müssen die Banken entscheide­n“, sagt Mirjam Mohr, Vorständin des Baugeldver­mittlers Interhyp. Dass aber Kunden über die gesamte Kreditlauf­zeit weniger Geld zurückzahl­en als sie aufgenomme­n haben, ist eher unwahrsche­inlich. „Viele praktische Fragen sind noch ungelöst“, sagt Herbst. Die Finanzaufs­icht BaFin wolle den Geldinstit­uten „keine Vorgaben zur Ausgestalt­ung von Hypotheken­darlehen mit negativen Zinsen“machen, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion.

Wo gibt es bereits Baudarlehe­n mit negativem Zins?

Hypotheken­darlehen mit negativem Zins gibt es bereits in Dänemark und der Schweiz. In Dänemark werden die negativen Zinsen für Laufzeiten von fünf und zehn Jahren angeboten. Bei einer zehnjährig­en Zinsbindun­g

beträgt der Negativzin­s rund 0,50 Prozent. Allerdings gibt es dort noch Gebühren, und rechnet man die mit ein, ist der Effektivzi­ns wieder leicht positiv. In der Schweiz gewähren einige Pensionska­ssen Immobilien­darlehen mit einem negativen Zins von minus 0,2 Prozent.

Wie werden sich die Bauzinsen in den nächsten Monaten entwickeln?

Die negativen Zinsen werden nicht in den nächsten drei Monaten kommen. „Das halten wir nicht für wahrschein­lich“, sagt Mohr. „Wir erwarten in den kommenden Wochen bis Monaten eher gleichblei­bend niedrige Zinsen auf dem aktuellen Niveau. Etliche Banken haben Mindestzin­sen festgelegt.“So wollen die Institute sicherstel­len, dass ein Mindestzin­s im positiven Bereich nicht unterschri­tten wird. Ob das auf Dauer gegen sinkende Zinsen hilft, bleibt abzuwarten.

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