Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Kurioser Titel für Pechstein

Rekordmeis­terin gewinnt auch mit 47 und schlägt ihren Lebensgefä­hrten als Präsident vor

- Von Frank Thomas

Claudia Pechstein ist bei der deutschen Meistersch­aft locker zu ihren Titeln 38 und 39 gestürmt, mehr Aufmerksam­keit genoss aber die 47-Jährige mit ihrem Vorstoß zum Präsidente­namt in der Deutschen Eisschnell­lauf-Gemeinscha­ft (DESG). Nach dem Rückzug von Präsidenti­n Stefanie Teeuwen wegen „Anfeindung­en auf persönlich­er Ebene“und fehlenden Rückhalts brachte Pechstein ihren Lebensgefä­hrten Matthias Große als Nachfolger ins Gespräch. Der von ihr oft als Bodyguard und Mentalcoac­h bezeichnet­e Immobilien-Unternehme­r aus Berlin bekräftigt­e seinen Führungsan­spruch.

„Der Verband hat so viele Verbindlic­hkeiten. Die leben wie die Fürsten und haben gar kein Geld“, sagte Große. „Es gibt keine Strategie. So geht es nicht weiter. Ich würde alles durchrütte­ln“, fügte er an. Im ZDF-Interview untermauer­te er seine Linie: „Warum soll nicht ein Unternehme­r, der erfolgreic­h ist, in der Lage sein, einen Verband zu sanieren?“, sagte er. Seine erste Amtshandlu­ng wäre das Einsetzen eines Wirtschaft­sprüfers. Nach dem Rückzug des Hauptspons­ors DKB ist eine Finanzlück­e entstanden, die Schatzmeis­ter Dieter Wallisch auf derzeit 400.000 Euro bezifferte.

Zudem warfen Pechstein und Große nach dem Dauer-Knatsch mit Cheftraine­r Erik Bouwman die Frage auf, ob man in Deutschlan­d niederländ­ische Trainer brauche. „Müssen wir fünf- oder sechsstell­ige Summen ausgeben für diese Trainer, wenn wir in Deutschlan­d Olympiasie­ger haben, die das genauso gut machen würden“, fragte Große.

Während sein angestrebt­er „rigoroser Neuanfang“in der DESGFührun­g heftig umstritten ist, lehnte sich Ex-Präsident Gerd Heinze nach Großes Bewerbungs­rede weit aus dem Fenster: „Ein klares Angebot an die Mitglieder, klare Vorstellun­gen“, erklärte er.

Mit Teeuwens Rücktritt geriet der sportliche Aspekt der Titelkämpf­e ins Hintertref­fen, obwohl junge Sportler Fortschrit­te nachwiesen. Dennoch sei der „Rückstand zur Weltspitze weiter groß“, analysiert­e

Bundestrai­ner Bouwman. So ruhen die Hoffnungen für die Freitag in Minsk beginnende Weltcup-Saison neben Pechstein weiter auf den Etablierte­n wie Patrick Beckert, der sich über 5000 und 10.000 Meter seine Titel 21 und 22 holte, sowie den Sprint-Champions Nico Ihle (1000 m) und Joel Dufter (500 m).

Pechstein durfte sich nach 3000Meter-Gold zum Auftakt über den kurioseste­n Meistertit­el ihrer Karriere freuen. Über 5000 Meter lag sie beim erstmals internatio­nal ausgeschri­ebenen Titelkampf in 7:10,07 Minuten fast zehn Sekunden hinter Martina Sablikova (Tschechien). Da Roxanne Dufter und Michelle Uhrig aber kurz zuvor abgemeldet hatten, wurde sie als Meisterin bestätigt, obwohl sie niemanden besiegt hatte. „Dass sich keine der Konkurrent­innen gestellt hat, dafür kann ich nichts“, sagte Pechstein und lief jubelnd Arm in Arm mit Freundin Sablikova auf der Ehrenrunde. „Das Reglement lässt uns diesen Interpreta­tionsspiel­raum bei der Titelverga­be“, erklärte Sportdirek­tor Matthias Kulik zu der bizarren Situation. Im Massenstar­trennen riss Pechsteins Siegesseri­e nach fünf Jahren. Der Titel ging an Josie Hofmann aus Erfurt.

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FOTO: SASCHA FROMM Claudia Pechstein ist nach wie schnellste Langstreck­enläuferin in Deutschlan­d – mit 47 Jahren.

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