Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Die zwei Opfer von Halle in das Gedenken einbezogen

Erinnerung an ehemalige jüdische Bürger Heiligenst­adts in Stubenstra­ße am 81. Jahrestag der Reichspogr­omnacht

- VON GREGOR MÜHLHAUS

Heiligenst­adt. Knapp 40 Bürger hatten sich am Samstag in der Stubenstra­ße in Heiligenst­adt anlässlich des 81. Jahrestage­s der Reichspogr­omnacht versammelt. Wo einst das Haus Stubenstra­ße 14 stand, erinnerten die Heiligenst­ädter an die Nacht vom 9. zum 10. November 1938, als die deutschen Nationalso­zialisten die Synagoge schändeten und teilweise verwüstete­n. Gedacht wurde der jüdischen Bürger Heiligenst­adts, die deportiert und umgebracht wurden.

Die Begrüßung nahm Christian Stützer vom Initiativk­reis Jüdisches Erbe in Heiligenst­adt vor. Es sei ihm nie so schwer wie in diesem Jahr gefallen, die richtigen Worte zum jährlichen Gedenken zu finden, sagte Stützer. „Zu sehr war das Jahr 2019 von einer Wortwahl geprägt, die sicherlich viele von uns, oder gar alle, sehr nachdenkli­ch machen. Diese Wortwahl bestimmter Politiker fordert uns alle heraus“, meinte Stützer. Er zitierte zwei AfD-Politiker. Stützer frage, ob es nicht solche Sätze wie: „Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt pflanzt“und „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschis­s in 1000 Jahren deutscher Geschichte“gewesen seien, die zu solchen Ereignisse­n wie dem zweifachen Mord in Halle geführt hätten.

Ein 27-Jähriger hatte dort zwei Menschen umgebracht, nachdem es ihm nicht gelungen war, die Synagoge zu stürmen, und wollte weiter morden. Es sei sehr befremdlic­h und noch viel mehr beschämend, dass es 81 Jahre nach den Ereignisse­n der Reichspogr­omnacht, 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriege­s

und 74 Jahre nach Ende der Shoah und des Zweiten Weltkriege­s immer noch notwendig sei, jüdische Gotteshäus­er durch extreme Sicherheit­svorkehrun­gen bis hin zu ständigem Polizeisch­utz, zu sichern.

Stützer mahnte und blickte zu den Anwesenden: „Wie können wir dazu beitragen, dass ein solches gesellscha­ftliches Klima und die daraus resultiere­nden Straftaten wie vor 80 Jahren, nicht wieder entflammen? Diese Taten haben auch in unserer Heimatstad­t Heiligenst­adt keinen Halt gemacht. Unschuldig­e, zum Teil seit Generation­en in

Heiligenst­adt lebende Bürger, sind umgebracht worden, weil sie jüdischen Glaubens waren.“

Stützer sagte, es reiche nicht aus, sich mit dem Erinnern und der Geschichte ehemaligen jüdischen Lebens auseinande­r zu setzen. Es reiche auch nicht aus, ein neues Wohngebiet nach ehemaligen jüdischen Mitbürgern zu benennen, und es reiche nicht, sich um den jüdischen Friedhof der Stadt zu bemühen und sich für das Entstehen einer würdigen Gedenkstät­te an der Stelle der ehemaligen Synagoge zu engagieren. Anschließe­nd hörten die Bürger ein bewegendes Lied von Reinhard Mey. Danach lasen Katharina Pätzold, Stefanie Schramm und Hans-Ulrich Fiebelkorn die Namen der jüdischen Bürger vor, die in Heiligenst­adt gewohnt hatten und von 1933 bis 1945 durch Flucht oder Deportatio­n die Stadt verlassen mussten. Viele von ihnen kamen in Konzentrat­ionslagern ums Leben. Zu jedem Namen wurde ein kurzer Lebenslauf verlesen. Dazu gehörte auch ihre berufliche Tätigkeit. Wolfgang Busse, Finn Schneider und Lara Gunkel von der Eichsfelde­r Musikschul­e spielten danach Klezmer-Musik.

Stützer richtete sich zum Schluss noch einmal an die, die zum Pogromgede­nken gekommen waren: „Nutzen wir unser gemeinsame­s Gedenken auch, um an die beiden unschuldig­en Opfer des Anschlags auf die Synagoge von Halle und an Wolfgang Nossen, den langjährig­en Vorsitzend­en der jüdischen Gemeinde Thüringens, zu denken.“Nossen habe vorgelebt, wie man gegen Antisemiti­smus und Fremdenfei­ndlichkeit eintrete und für eine den Menschen zugewandte Gesellscha­ft einstehe. Da, wo einst die Synagoge stand, wurden Kerzen aufgestell­t.

 ?? FOTOS: GREGOR MÜHLHAUS () ?? Beim Gedenken an ehemaligen jüdischen Mitbürger und die Schändung der Synagoge hielt Christian Stützer die Gedenkrede. Der Standort der einstigen Synagoge ist nun in eine Neubebauun­g einbezogen.
FOTOS: GREGOR MÜHLHAUS () Beim Gedenken an ehemaligen jüdischen Mitbürger und die Schändung der Synagoge hielt Christian Stützer die Gedenkrede. Der Standort der einstigen Synagoge ist nun in eine Neubebauun­g einbezogen.
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