Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Lübcke-Attentäter hatte Verbindung­en in den Südharz

Germanisch­e Glaubensge­meinschaft wirkt in Ilfeld. Mutmaßlich­er Mörder war Mitglied

- Von Peter Cott

Auch ein halbes Jahr nach dem Attentat auf den Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke (CDU) kommen immer weitere Details zu diesem Verbrechen ans Licht. So etwa, dass der mutmaßlich­e Mörder und hessische Rechtsextr­emist Stephan Ernst gute Verbindung­en in den Südharz gepflegt haben soll. Mit dieser Informatio­n überrascht­e jetzt Kreistagsm­itglied Tim Rostenstoc­k (Linke). Als Antifaschi­stischer Sprecher seiner Fraktion hat er intensiv zum Rechtsextr­emismus im Südharz geforscht und wird in dieser Rolle unter anderem als Referent für die Nordhäuser Hochschule gebucht oder als Experte

für „Die Welt“befragt. Wie diese Tageszeitu­ng bereits berichtet hat, war Ernst bis 2011 Mitglied in der rechtsextr­emen Artgemeins­chaft, einer 1951 gegründet und lange Jahre von NPD-Ikone Jürgen Rieger angeführte­n „Germanisch­en Glaubensge­meinschaft“. Die werde vom Verfassung­sschutz kontrollie­rt, sagt Rosenstock.

Ihre rund 170 Mitglieder verstehen sich als „heidnische Germanen“, die mit „rassistisc­h geprägter Ideologie“eine Zukunft „im Kreise unserer Art“verfolgen. Der Inlandsgeh­eimdienst attestiert der Gruppe eine „konspirati­ve“Vorgehensw­eise. Und solche konspirati­ven Treffen sollen regelmäßig auch in einem abgeschied­enen Ilfelder Hotel stattfinde­n. Rosenstock berichtet mit Bezug auf ein kurzes Youtube-Video von kruden Veranstalt­ungen, bei denen bis zu 400 Mitglieder Sonnenwend­en feiern. Nur wenige Klicks im Internet reichen, um zudem Einladunge­n des bekannten Holocaust-Leugners Meinolf Schönborns zu Vortragsab­enden in der Ilfelder Gastwirtsc­haft zu finden. Für Rosenstock ist die hier regelmäßig tagende Artgemeins­chaft von großer Bedeutung für die „Vernetzung der neonazisti­schen Szene“. Vor allem aber, sagt der Jungpoliti­ker, habe die Gruppe einen Bezug zur rechtsextr­emen Terrorzell­e NSU gehabt. So sei Ralf Wohlleben, ein Mitverurte­ilter im Münchner Prozess, einst nach einer Haftentfüh­render lassung beim Vorsitzend­en der Artgemeins­chaft im Burgenland­kreis untergekom­men. „Es ist also nicht auszuschli­eßen, dass Stephan Ernst auch Kontakt zum NSU-Trio hatte“, glaubt Rosenstock, der um weitere führende Thüringer Neonazis mit Verbindung­en nach Ilfeld und zur Artgemeins­chaft weiß.

So habe Michael van Dolsberg (ehemals Michael See), lange ein

Neonazi im Freistaat, Kontakte zur Artgemeins­chaft gehabt. „Über Kontakte wurde van Dolsberg sogar angefragt, ob er das NSU-Trio im Landkreis Nordhausen verstecken könnte“, zitiert Rosenstock aus Recherchen, die ihn neben dem Ilfelder Gasthaus zu fünf Südharzer Objekten geführt haben, die im Verdacht stehen, durch Rechte genutzt zu werden.

Besonders pikant ist für Rosenstock darüber hinaus die Personalie Jirka Buders, der ebenfalls Mitglied der Artgemeins­chaft gewesen sein soll. Wie Deutschlan­dfunk berichtet, handele es sich bei Buder um einen einstigen Aktivisten der mittlerwei­le verbotenen Wiking-Jugend, der mehrere später indizierte

CDs des rechtsextr­emen Liedermach­ers Frank Rennicke gestaltet hat. Sein heutiger Job? Die AfDLandtag­sfraktion listet ihn auf ihrer Homepage als hauseigene­n Grafiker. Björn Höcke als Fraktionsv­orsitzende­r und damit Personalve­rantwortli­cher müsse sehr blind oder sehr vernetzt sein, um eine solche Vorgeschic­hte zu übersehen, gibt Rosenstock zu bedenken.

Zum Schluss steht für den Linkenpoli­tiker daher ein düsteres Fazit: „Der Südharz spielt keine unwesentli­che Rolle im Rechtsradi­kalismus. Stattdesse­n ist er ein Sammelbeck­en von Rechtsextr­emen“, sagt Rosenstock, um hinzuzufüg­en, dass der Verfassung­sschutz als Organ „offensicht­lich nicht funktionie­rt“.

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FOTO: M. KNEISE Tim Rosenstock, Antifaschi­stischer Sprecher der linken Kreistagsf­raktion in Nordhausen

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