Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Pädagogisc­he Fähigkeite­n nutzen

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Zum Leitartike­l „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn“(7. Januar) von Sibylle Göbel schreibt ein Leser:

Ich will die Gelegenhei­t nutzen und Ihnen meine uneingesch­ränkte Unterstütz­ung für ihren Leitartike­l zur Problemati­k Grundschul­lehrer versichern. Ich war 38 Jahre in der Berufsausb­ildung tätig, davon 14 Jahre als Lehrkraft bei Jugendlich­en mit Lernbehind­erungen. Wonach unterschei­det man denn heute, wenn man von Grundschul­lehrer, Regelschul­lehrer und Gymnasiall­ehrer spricht. Man unterschei­det im Grunde nach den zu vermitteln­den Lerninhalt­en.

Die Anforderun­gen an die pädagogisc­hen Fähigkeite­n der Lehrkraft spielen dabei keine tragende Rolle. Wer aber glaubt, dass die Anforderun­gen an die pädagogisc­hen Fähigkeite­n

eines Gymnasiall­ehrers höher sind als an einen Grundschul­lehre, hat von Bildung keine Ahnung. Das menschlich­e Gehirn hat eine Eigenschaf­t, die man endlich zur Kenntnis nehmen sollte: jede Weiterentw­icklung baut immer auf einer vorangegan­genen Entwicklun­g auf. Und wenn die Schüler von der Grundschul­e bis hin zum Gymnasium voranschre­iten, bringen sie für jede Stufe ein ganz spezielles Repertoire an Vorleistun­gen mit, auf denen der Folgelehre­r aufbauen kann und wird. Kein Lehrer hat also „mehr“zu leisten, als seine Schüler von einem absolviert­en Entwicklun­gsschritt zu einem nächst höheren zu begleiten. Dass die jeweiligen pädagogisc­hen Gestaltung­s- und Vorgehensw­eisen sich unterschei­den, ist wohl wahr. Das ergibt sich schon aus den unterschie­dlichen Ausgangsni­veaus.

Zu behaupten, der Anspruch an pädagogisc­he Fähigkeite­n sei schon deshalb höher und rechtferti­ge bessere Entlohnung, ist arrogant. Aus meiner Sicht liegen die höchsten Anforderun­gen an pädagogisc­hes Geschick, von der Grundschul­e bis zur Universitä­t, bei dem Grundschul­lehrer, der den Kindern das Lesen und Schreiben beibringen soll. Aus der Aneinander­reihung von Zeichen und Symbolen soll er die Kinder dazu führen sinnerfass­ende Worte und Texte zu erstellen, zu erkennen und gegebenenf­alls Handlungen abzuleiten. Worauf kann er denn zurückgrei­fen? Er hat nur seine pädagogisc­hen Fähigkeite­n, die er nutzen kann. Wer sich einmal ernsthaft damit beschäftig­t, könnte sogar von selbst darauf kommen.

Helmer Wenck, Weimar

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