Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Intrigante­nstadl Vatikan

Der Wirbel um ein Buch des ehemaligen Papstes Benedikt zeigt: Die konservati­ven Bataillone im Kirchensta­at machen Front gegen Franziskus

- Von Bettina Gabbe und Michael Backfisch

Manchmal wird die Fiktion von der Wirklichke­it eingeholt. In der Netflix-Produktion „Die zwei Päpste“belauern sich Benedikt XVI., dargestell­t von Anthony Hopkins, und der spätere Papst Franziskus, verkörpert von Jonathan Pryce. Es sind zwei Männer, wie sie unterschie­dlicher kaum sein könnten: Hier der menschensc­heue Intellektu­elle aus Deutschlan­d, der sich beim Klavierspi­el und der Schäferhun­d-Serie „Kommissar Rex“entspannt. Dort der joviale Argentinie­r, der Fußball und Tango liebt.

Manch ein Zuschauer mag sich gefragt haben, ob der Film nicht hier und da zur Papst-Posse abgleitet. Doch der Konflikt, der sich derzeit zwischen den beiden realen Männern in Weiß entfaltet, stellt das Filmdrama nahezu in den Schatten. In einem neuen Buch spricht Benedikt gemeinsam mit dem erzkonserv­ativen Kardinal Robert Sarah von einer „dunklen Zeit“, die das Priestertu­m durchschre­ite. „Ich glaube, dass der Zölibat eine große Bedeutung hat“, schreibt der 92-jährige Benedikt. „Der Zölibat wird sogar eine Grundvorau­ssetzung dafür, dass unsere Annäherung an Gott die Grundlage unseres Lebens bleibt.“

„Der Zölibat wird eine Grundvorau­ssetzung für unsere Annäherung an Gott.“Benedikt, ehemaliger Papst

Es ist nichts weniger als ein Affront gegen die Lockerungs­übungen von Papst Franziskus. Der Argentinie­r prüft derzeit, ob in entlegenen Weltgegend­en wie etwa am Amazonas den Geistliche­n die Ehe erlaubt werden soll. Dort herrscht großer Priesterma­ngel. Es wird erwartet, dass Franziskus seine Entscheidu­ng in den kommenden Wochen verkündet.

Eine kuriose Wendung nimmt das Drama am Dienstag. Da zieht Benedikts Privatsekr­etär Georg Gänswein die Notbremse: Der ExPapst habe gar nicht als Co-Autor des Buches „Des profondeur­s de nos coeurs“(„Aus den Tiefen unserer Herzen“) auftreten wollen. Folglich wolle er sein Bild auf dem Titel und seine Unterschri­ft in Einleitung und Nachwort entfernt sehen. Es sei alles ein „Missverstä­ndnis“, so Gänswein. Allerdings habe der emeritiert­e Papst tatsächlic­h den Text über den Zölibat verfasst. Nur von der Präsentati­on habe er nichts gewusst. Inhaltlich gibt es also keine Änderungen.

Im Mittelpunk­t des jüngsten Skandals steht der Hardliner Kardinal Robert Sarah, seit Längerem als Gegner von Franziskus bekannt. Der Präfekt der Gottesdien­stkongrega­tion hat das Buch verfasst, das an diesem Mittwoch zunächst in Frankreich erscheinen soll. Nun wehrt er sich gegen den Vorwurf, den greisen Benedikt für seine Zwecke eingespann­t zu haben. Um das zu belegen, twittert er Briefe von Benedikt, die zeigen, dass dieser durchaus von einer geplanten Veröffentl­ichung wusste.

Der Skandal zeigt, wie sehr Intrigen die Arbeit von Franziskus untergrabe­n und welchen Widerstand es von konservati­ven Kirchenmän­nern gibt. Dass Benedikt von diesen auch instrument­alisiert wird, kritisiere­n Kirchenken­ner seit Langem. Der Rücktritt Benedikts im Februar 2013 war der erste eines Papstes seit rund 700 Jahren. Er versprach seinem Nachfolger „bedingungs­lose Ehrerbietu­ng und meinen bedingungs­losen Gehorsam“. Im Vatikan bemüht man sich stets um die Darstellun­g einer harmonisch­en Beziehung, veröffentl­icht regelmäßig Fotos der beiden Männer in Weiß. Seltsam war aber, dass es dieses Mal an Weihnachte­n keines der üblichen Fotos von Franziskus’ Besuch beim Altpapst gab. Lagen sie da schon im Clinch?

Die konservati­ven Bataillone in Rom machen jedenfalls immer offener Front gegen den Pontifex. Kardinal Walter Brandmülle­r, der ehemalige Chef des päpstliche­n Historiker­komitees, ist bereits 91. Im vergangene­n Sommer verfasste er eine scharfe Attacke gegen Franziskus. Er unterstell­te diesem, einen radikalen Umbau der Kirche zu planen. Benedikts Privatsekr­etär Georg Gänswein dient dessen Nachfolger Franziskus zugleich als Präfekt des

Päpstliche­n Hauses. Der konservati­ve Erzbischof steht inhaltlich Kritikern des Amtsinhabe­rs nahe. Neben dem deutschen Kurienkard­inal Walter Brandmülle­r gehört auch der ehemalige Präfekt der Glaubensko­ngregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, zu den erklärten Gegnern von Franziskus’ Reformen.

Die Piazza Leonina ist das Zentrum der Revolte

Weit effektiver als die Befürworte­r nutzen diese seit Jahren das Internet, etwa wenn es um die Zulassung wiederverh­eirateter Geschieden­er zur Kommunion geht. Eines der Zentren der Revolte gegen Franziskus befindet sich auf der idyllische­n Piazza Leonina, die an den Vatikan grenzt. Gegenüber der einst als Fluchtweg der Päpste vom Vatikan zur nahen Engelsburg am Tiber dienenden mittelalte­rlichen Mauer wohnt Müller. Es ist das Apartment, das der damalige Kardinal Joseph Ratzinger bis zu seiner Wahl zum Papst bezog.

„Zwei Päpste ist einer zu viel“, findet der Priester Thomas Reese, der für katholisch­e Medien schreibt. Für den Intrigante­nstadl im Vatikan heißt dies: Fortsetzun­g folgt.

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FOTO: - / DPA Trügerisch­e Harmonie: In heiklen Fragen wie dem Zölibat herrscht keineswegs Eintracht zwischen Papst Franziskus (l.) und seinem Vorgänger Benedikt.

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