Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Berateraff­äre: Warum von der Leyen in Brüssel sicher ist

Ex-Ministerin hat Beweismitt­el gelöscht, ein politische­s Scherbenge­richt muss sie aber nicht befürchten

- Von Christian Kerl und Miguel Sanches

Mit tränenerst­ickter Stimme räumt die Ex-Ministerin im Ausschuss ein: „Ja, ich habe Beweismitt­el vernichtet, sie haben mich erwischt.“So wird es nicht kommen. Niemals.

Tobias Lindner ist illusionsl­os. Der Grünen-Abgeordnet­e erwartet nicht, „dass Frau von der Leyen als Zeugin jetzt alle Vorwürfe zugeben wird“. Sie hat zwei Handys löschen lassen und damit Beweismitt­el in der Berateraff­äre vernichtet. Wissentlic­h, mit Vorsatz? Es gibt Ungereimth­eiten,

widersprüc­hliche Aussagen. Und doch droht der Ex-Verteidigu­ngsministe­rin bei ihrer Vernehmung am 13. Februar vor einem Untersuchu­ngsausschu­ss kein Scherbenge­richt. Er befasst sich mit Vorwürfen wie unkorrekte­r Auftragsve­rgabe und Vetternwir­tschaft im Verteidigu­ngsministe­rium.

Niemand erwartet größere Konsequenz­en, weder rechtlich noch politisch, weder in Berlin noch in Brüssel, wo sie nunmehr EU-Kommission­spräsident­in ist. Wäre sie noch Ministerin, läge der Fall anders. Dann könnte „als Ergebnis auch eine Rücktritts­forderung sterin

Ex-Ministerin Ursula von der Leyen sitzt fest im Sattel.

hen“, glaubt Lindner. Im Klartext: Von der Leyen ist nur noch ein Skandal im Konjunktiv.

Längst schießt sich die Linke denn auch auf ihre Amtsnachfo­lgeAnnegre­t Kramp-Karrenbaue­r (CDU) ein. „Beide Handy-Löschungen fallen in ihre Amtszeit“, sagte Linke-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch unserer Redaktion. Es sei ein schweres Versäumnis von AKK, die Beweismitt­el auf den Handys nicht gesichert zu haben. „Das ist dilettanti­sch und ein Affront gegenüber dem Parlament.“Von der Leyen hätte niemals selbst entscheide­n dürfen, ob sie löscht oder nicht, meint er.

Die innenpolit­ische Aufregung um gelöschte SMS interessie­rt in Brüssel nur wenige. Die Berateraff­äre war in Brüssel vor von der Leyens

Wahl zur Kommission­schefin vergangene­n Juli auf EU-Ebene thematisie­rt worden, doch sah eine Mehrheit darin kein Hindernis für ihre Beförderun­g. Es fehlt an entschloss­enen Angreifern.

Selbst wenn ihr im Berliner Untersuchu­ngsausschu­ss ein Fehlverhal­ten als Ministerin nachgewies­en würde oder sie ins Visier der Justiz geriete (wovor sie das EU-Amt nicht schützen würde) – den Chefsessel müsste sie nicht automatisc­h räumen. Verhaltens­regeln gibt es. Aber sie beziehen sich auf die Tätigkeit in der EU-Kommission, nicht auf die Zeit davor.

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FOTO: / AFP

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