Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Berateraffäre: Warum von der Leyen in Brüssel sicher ist
Ex-Ministerin hat Beweismittel gelöscht, ein politisches Scherbengericht muss sie aber nicht befürchten
Mit tränenerstickter Stimme räumt die Ex-Ministerin im Ausschuss ein: „Ja, ich habe Beweismittel vernichtet, sie haben mich erwischt.“So wird es nicht kommen. Niemals.
Tobias Lindner ist illusionslos. Der Grünen-Abgeordnete erwartet nicht, „dass Frau von der Leyen als Zeugin jetzt alle Vorwürfe zugeben wird“. Sie hat zwei Handys löschen lassen und damit Beweismittel in der Berateraffäre vernichtet. Wissentlich, mit Vorsatz? Es gibt Ungereimtheiten,
widersprüchliche Aussagen. Und doch droht der Ex-Verteidigungsministerin bei ihrer Vernehmung am 13. Februar vor einem Untersuchungsausschuss kein Scherbengericht. Er befasst sich mit Vorwürfen wie unkorrekter Auftragsvergabe und Vetternwirtschaft im Verteidigungsministerium.
Niemand erwartet größere Konsequenzen, weder rechtlich noch politisch, weder in Berlin noch in Brüssel, wo sie nunmehr EU-Kommissionspräsidentin ist. Wäre sie noch Ministerin, läge der Fall anders. Dann könnte „als Ergebnis auch eine Rücktrittsforderung sterin
Ex-Ministerin Ursula von der Leyen sitzt fest im Sattel.
hen“, glaubt Lindner. Im Klartext: Von der Leyen ist nur noch ein Skandal im Konjunktiv.
Längst schießt sich die Linke denn auch auf ihre AmtsnachfolgeAnnegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ein. „Beide Handy-Löschungen fallen in ihre Amtszeit“, sagte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch unserer Redaktion. Es sei ein schweres Versäumnis von AKK, die Beweismittel auf den Handys nicht gesichert zu haben. „Das ist dilettantisch und ein Affront gegenüber dem Parlament.“Von der Leyen hätte niemals selbst entscheiden dürfen, ob sie löscht oder nicht, meint er.
Die innenpolitische Aufregung um gelöschte SMS interessiert in Brüssel nur wenige. Die Berateraffäre war in Brüssel vor von der Leyens
Wahl zur Kommissionschefin vergangenen Juli auf EU-Ebene thematisiert worden, doch sah eine Mehrheit darin kein Hindernis für ihre Beförderung. Es fehlt an entschlossenen Angreifern.
Selbst wenn ihr im Berliner Untersuchungsausschuss ein Fehlverhalten als Ministerin nachgewiesen würde oder sie ins Visier der Justiz geriete (wovor sie das EU-Amt nicht schützen würde) – den Chefsessel müsste sie nicht automatisch räumen. Verhaltensregeln gibt es. Aber sie beziehen sich auf die Tätigkeit in der EU-Kommission, nicht auf die Zeit davor.