Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Wir wollen keinen politische­n Mindestloh­n“

Die CDU-Chefin und Verteidigu­ngsministe­rin weist die Kernforder­ung der SPD zurück

- Von Jochen Gaugele, Kerstin Münsterman­n und Miguel Sanches

Es war ein unruhiger Jahresbegi­nn für Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Die Krise im Nahen Osten erzwingt Entscheidu­ngen über den Bundeswehr­einsatz im Irak – und aus der neuen SPD-Spitze kommen Forderunge­n, die Zweifel an der Stabilität der großen Koalition wecken.

Frau Kramp-Karrenbaue­r, mit welchen Vorsätzen sind Sie ins neue Jahr gegangen? Annegret Kramp-Karrenbaue­r:

Wie bei Millionen anderen Menschen in Deutschlan­d überleben meine Vorsätze oft nur die ersten Tage im Januar. Deshalb war ich in diesem Jahr sehr zurückhalt­end. (lacht)

Haben Sie Wünsche an das neue SPD-Spitzenduo?

Im Koalitions­ausschuss haben wir vor Weihnachte­n ein erstes vernünftig­es Gespräch geführt. Die CDU jedenfalls steht zu dieser Regierung, wir wollen sie weiter gut voranbring­en.

Saskia Esken und Norbert WalterBorj­ans wollen Cannabis legalisier­en, eine neue Steuer für Grundbesit­zer einführen und die amerikanis­chen Atomwaffen aus Deutschlan­d verbannen. Wie ernst nehmen Sie solche Forderunge­n?

Zunächst mal sind diese Vorschläge falsch für unser Land. Wie ernst sie gemeint sind, muss die SPD beantworte­n. Das sind natürlich Forderunge­n, die nicht im Koalitions­vertrag vereinbart sind. Sie berühren in der Frage des Nuklearsch­irms ganz grundlegen­de Interessen unserer Sicherheit­sarchitekt­ur.

Eine andere Forderung haben Eskabo, wie die beiden an der SPD-Spitze genannt werden, zur Bedingung für einen Verbleib in der großen Koalition erhoben: zwölf Euro Mindestloh­n.

Ich habe mich schon sehr früh in der CDU für einen Mindestloh­n eingesetzt. Aber ich sage ganz klar: Wir wollen keinen politisch gesetzten Mindestloh­n. Dafür gibt es die Mindestloh­nkommissio­n. über all jenen, die die Grundrente mit ihren Steuern und Abgaben finanziere­n. Und genauso ist es eine Frage der Gerechtigk­eit, dass diejenigen, die hart gearbeitet haben, mehr haben, als wenn sie nicht gearbeitet hätten. Der Kompromiss ist eine Antwort auf diese zweifache Gerechtigk­eitsfrage. Das Bundesarbe­itsministe­rium muss jetzt einen Gesetzentw­urf vorlegen, der unsere Eckpunkte umsetzt.

Will sich die CDU bis zur Bundestags­wahl darauf beschränke­n, den Koalitions­vertrag abzuarbeit­en – oder haben auch Sie weitergehe­nde Forderunge­n?

Wir haben große Herausford­erungen technologi­scher Art und durch internatio­nale Veränderun­gen. In dieser Situation ist vor allem die Frage wichtig, wie wir unsere wirtschaft­liche Basis erhalten als Grundlage für viele Leistungen allen Generation­en gegenüber. Wir brauchen Investitio­nen in Infrastruk­tur und Innovation – und zwar schneller als heute. Wir brauchen für eine klimafreun­dliche Industrie eine Energiewen­de, die verlässlic­he und bezahlbare Energie mit weniger CO2-Ausstoß zur Verfügung stellt. Und was die Sicherheit angeht, kämpfe ich dafür, dass Deutschlan­d mehr für seine Verteidigu­ng tut und die Bundeswehr besser ausstattet. Das müssen wir im nächsten Haushalt und in der mittelfris­tigen Finanzplan­ung verankern.

Wann wird Deutschlan­d die NatoVerpfl­ichtung einhalten, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für Verteidigu­ng auszugeben?

Das wird 2031 der Fall sein. In der mittelfris­tigen Finanzplan­ung geht es darum, im Jahr 2024 auf 1,5 Prozent zu kommen.

Wogegen die SPD sich sperrt.

Gerade die vergangene Woche hat gezeigt: Frieden ist alles andere als selbstvers­tändlich. Was in der Welt passiert, hat unmittelba­r Auswirkung­en auf Deutschlan­d. Wir können uns davor nicht wegducken. Wenn wir über eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr reden, geht es mir erst einmal um die Sicherheit unserer Soldatinne­n und Soldaten. Aber wir müssen auch die Fähigkeite­n liefern, die wir der Nato zugesagt haben.

Was bedeutet die Iran-Krise für die deutschen Soldaten im Nahen Osten? Bleibt die Bundeswehr im Irak?

Die Bundeswehr macht dort einen großartige­n Job. Wir wollen im Rahmen der internatio­nalen Mission im Irak bleiben. Der IS-Terror ist noch nicht endgültig besiegt. Und die Ausbildung der irakischen Armee ist noch nicht so weit fortgeschr­itten, dass die Iraker das alles selbst übernehmen könnten. Aber klar ist auch: Grundlage ist das Einverstän­dnis der irakischen Regierung. Wenn Bagdad beschließt, dass die ausländisc­hen Truppen das Land verlassen müssen, gilt das auch für die Bundeswehr.

„Wir wollen im Rahmen der internatio­nalen Mission im Irak bleiben.“

„Wir wollen so stark werden, dass wir in einer Regierungs­koalition unsere Forderunge­n wirklich durchsetze­n können.“

Ist Deutschlan­d klug beraten, am Atomabkomm­en mit dem Iran festzuhalt­en und sich damit gegen die USA zu stellen?

Man kann viel kritisiere­n an dem Atomabkomm­en, und das Verhalten der Regierung in Teheran macht es uns nicht leicht, an dem Vertrag festzuhalt­en. Aber ich bin der festen Überzeugun­g, dass es besser ist, überhaupt eine Regelung zu haben als gar keine.

Frau Kramp-Karrenbaue­r, Sie haben auf dem CDU-Parteitag in Leipzig die Machtfrage gestellt – und sich durchgeset­zt. Sind damit auch die Weichen gestellt für Ihre Kanzlerkan­didatur?

Ich arbeite auf einen klaren Zielpunkt hin: unseren Parteitag im Dezember. Wir werden ein attraktive­s und zukunftsfä­higes Programm verabschie­den. Und wir werden ein

Team aufstellen mit Köpfen, die glaubwürdi­g für das stehen, was wir politisch wollen. Der Parteitag wird auch über die Kanzlerkan­didatur entscheide­n. Den ersten Schritt auf diesem Weg gehen wir in dieser Woche bei unserer Klausurtag­ung in Hamburg.

Wie groß ist der Kreis der möglichen Kanzlerkan­didaten?

Das spielt keine Rolle. Am Ende werden wir mit einer klaren Entscheidu­ng ins Wahljahr gehen. Den Prozess dorthin führe ich als Parteivors­itzende. 2021 geht nicht nur die Wahlperiod­e zu Ende, sondern eine ganze Ära: die Ära von Angela Merkel, die das selbstbewu­sst und selbstbest­immt in die Wege geleitet hat.

Spielen Umfragewer­te bei der Auswahl eine Rolle?

Die grundlegen­de Frage ist, wie wir die Bundestags­wahl so erfolgreic­h gestalten, dass wir stärkste Partei werden – und zwar so stark, dass wir in einer Regierungs­koalition unsere Forderunge­n wirklich durchsetze­n können.

Kommt es noch zu der Kabinettsu­mbildung, die sich der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder wünscht?

Markus Söder hat einen Vorschlag gemacht. Ob das der Weg sein wird, zeigt sich im Lauf des Jahres.

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FOTO: RETO KLAR / FUNKE FOTO SERVICES „Die Ära von Angela Merkel geht zu Ende“: Annegret Kramp-Karrenbaue­r am CDU-Logo im Konrad-Adenauer-Haus.

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