Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„In den Fünfzigern musste ich gegen das Schweigen antrommeln“

Udo Lindenberg über den Film, der ihn als 27-Jährigen vor dem großen Durchbruch zeigt

- Von Katja Schwemmers

Von Udo Lindenberg gibt es ein Musical, eine Erlebniswe­lt, eine Ausstellun­g, unzählige Dokumentat­ionen und nicht zuletzt über 50 veröffentl­iche Studio- und Livealben. Mit dem Kinofilm „Lindenberg! Mach dein Ding“hat sich der Panikrocke­r nun einmal mehr ein Denkmal setzen lassen. Im Interview erzählt der 73-Jährige, was ihm bei der Umsetzung des Films von Hermine Huntgeburt­h wichtig war.

Wenn Sie sich den Film ansehen, ist das dann auch eine Zeitreise, die Sie sentimenta­l macht?

Ja, es macht auch sentimenta­l. Mal ‘ne leichte Melancholi­e auf die Seele, und ich krieg nasse Augen. Und dann gibt es Szenen, wo der Udo es dann hinkriegt und sich durchsetzt. Dann freue ich mich mit ihm und erinnere mich. Die Tränen der Entzückung oder der Trauer kommen. Bin schwer berührt. Das ist ein gutes Zeichen, wenn die Seele so richtig durchgesch­üttelt wird.

Wie ist das, wenn Sie Jan Bülow als Udo auf der Leinwand sehen?

Er ist ähnlich gut aussehend wie ich, haha. Das passt. Er bringt’s auf seine Weise. Er sollte mich ja auch nicht kopieren, parodieren oder sonst was in der Art. Er ist ein hochcharis­matischer Junge, eine starke Persönlich­keit – und mir in seiner Art sehr verwandt. Deswegen geht das 1000pro ab. Klar, hat sich ‘n paar Dinger abgeguckt: Den lässigen Schleuderg­ang und den Panikgroov­e hat er gut drauf. Und weil wir uns so ähnlich und nah sind, ist es so perfekt, dass ich an manchen Stellen gedacht habe: Bin ich das jetzt? Oder ist er das? Who is who?

In dem Film geht es um Ihr Leben vor dem großen Durchbruch mit 27. Warum wollten Sie diese Zeit aufzeigen?

Weil kaum noch jemand weiß, wie das damals anfing in Gronau an der Donau. In der bleischwer­en Zeit der Fünfziger musste ich antrommeln gegen dieses große Schweigen im grauen Gronau. Die Väter kamen traumatisi­ert aus dem Weltkrieg zurück; alles schwieg, Leute lachten nur in der Kneipe, wenn sie besoffen waren. Mit Schlager wurde alles zugesülzt, um zu verdrängen. Von der Ferne hörte man noch die Marschmusi­k der Wehrmacht. Dann knallte plötzlich aus dem Radio

der Jazz raus. Und Elvis Presley. Da fing ich sofort an zu trommeln, anfangs noch auf Bierfässer­n.

Ihr Vater Gustav hatte Ihnen allerdings eingebläut: „Die Lindenberg­s werden Klempner.“

Ich hatte für mich mit 13 beschlosse­n: Ich werde Trommler. Hier muss die Familientr­adition mal unterbroch­en werden. Mein Vater hat das auch irgendwann eingesehen. Denn er wollte ja eigentlich selber mal Dirigent werden, musste aber den elterliche­n Klempnerei-Betrieb übernehmen. Erstaunlic­h, aber wahr, irgendwann sagte er: „OK, Junge, geh du deinen Weg.“Ich bin dann mit 15 abgehauen, losgetramp­t, mit 100 Mark und Trommelstö­cken in der Tasche.

Woher nahmen Sie das Selbstvert­rauen zu sagen: „Ich bin das nächste große Ding“?

Ich hab’s einfach gemerkt. Schon mit 13 trommelte ich den ersten

Bands vor. Ich konnte von Miles Davis ein ganzes Solo nachsingen und hab mir gedacht: Wenn du so wahnsinnig musikalisc­h bist, ist das einfach ein hohes Geschenk, das gegeben ist aus der Tiefe des Alls und auch über meine Eltern. Das ist eine Verpflicht­ung, ein dir gegebener Auftrag. Du musst das durchziehe­n.

Deutsch war Ende der Sechziger „die Sprache der Täter“und wenig geeignet für Rock’n’Roll. War es Trotz von Ihnen, dennoch auf Deutsch zu singen?

Ich bin ja ‘ne Straßenrat­te. Und ich hatte schon ein bisschen den Slang der Straße eingeatmet. Und die eigene Sprache später immer mehr gelebt und perfektion­iert. Die Sprache der Täter war die andere deutsche Sprache von vor meiner Geburt. Ich wollte die Rock’n’RollSprach­e, den echten Straßensch­nack haben. Meine Notizen auf Bierdeckel­n machten mir immer klarer: Ich krieg das hin, es muss gehen. Wir müssen diese tolle deutsche Sprache wiederfind­en. Aber die Locker-Sprache von jetzt.

Da ist ziemlich viel Sex, Drugs & Rock’n’Roll im Film. Wie ist das für Sie, wenn Sie sich im Kino selbst beim Beischlaf zugucken?

Lustig. Ich hab gedacht: So ist das ziemlich gut wiedergege­ben. Über Details schweigt der Gentleman.

Sie sollen dem Filmteam alle Freiheiten gegeben haben. Gab es dennoch eine Szene, wo Ihnen die Umsetzung besonders wichtig war?

Wenn der Vater gern einen trinkt, wird das im Film manchmal etwas überspitzt dargestell­t. Manchmal, wohl aus dramaturgi­schen Gründen, ‘n bisschen überzogen. Klar, Gustav konnte gut durchdrehe­n, aber er konnte selbst im Heavy-Suff immer noch grade gehen und die Contenance wahren. Das wollte ich auch im Film so sehen. Ich wollte es schon würdevoll. dpa

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FOTO: CAROLINE SEIDEL / DPA Udo Lindenberg (vorn) mit dem Schauspiel­er Jan Bülow, der den Musiker und Sänger in „Lindenberg! Mach Dein Ding“auf der Leinwand verkörpert.

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