Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Kommt Kaufprämie für Verbrenner?
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) über die Bahn, Milliarden-Investitionen und die Auto-Kaufprämie
Im Streit um staatliche Kaufanreize für Autos hat sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für eine Kaufprämie ausgesprochen, die den Abverkauf auch von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ankurbelt.
Nachdem man lange vor dem Corona-Virus eine Kaufprämie für die alternativen Antriebe vereinbart habe, könne es „jetzt nur darum gehen, dass wir weitere Fahrzeuge mit einer Kaufprämie versehen – auch die modernen Verbrenner“, sagte der Minister.
Das Bundesverkehrsministerium in der Berliner Invalidenstraße: Wo früher die Kartographen des Königs Preußen vermaßen, residiert jetzt Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und Digitales. Wir trafen den CSU-Politiker zum Interview.
Herr Minister, die Corona-Krise ist eine riesige Herausforderung für den öffentlichen Personenverkehr. Wie stellen Sie sicher, dass die Menschen gesund ans Ziel kommen?
Andreas Scheuer: Leider ist noch kein hundertprozentiges Vertrauen in die Fortbewegung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgekehrt. Das sieht man am Verkehr, das sieht man an den vielen Autos vor allem in den Städten. Jetzt müssen wir etwas dafür tun, dass wir die Fahrgastrekorde aus der Zeit vor Corona wieder erreichen. Dabei ist der Gesundheitsschutz das oberste Gebot. Wir haben mit allen Verantwortlichen einen Katalog von Hygieneund Schutzmaßnahmen für alle Verkehrsträger erarbeitet. Dazu zählen unter anderem die Maskenpflicht, abgestimmte Desinfektions-, Reinigungs- und auch Lüftungskonzepte. Das Ganze wird wissenschaftlich fundiert begleitet.
Aber wie soll bitte ein Mindestabstand zur Rushhour in der S-Bahn einzuhalten sein?
Natürlich wird dieser Abstand in der Praxis immer mehr Probleme bereiten. Es wäre weltfremd, dies außer Acht zu lassen. Daher ist der
Mund- und Nasenschutz so wichtig. Wir würden aber unsere Mobilität regional, überregional und grenzüberschreitend überfordern, wenn jetzt wieder jeder ein Auto benutzt. Das ist eine riesige Herausforderung, der wir uns jetzt stellen müssen.
Kommt die Reservierungspflicht bei der Bahn?
Ich finde das bestehende offene Buchungssystem bei der Bahn in Deutschland gut, dabei sollten wir bleiben. Sie können jederzeit entscheiden, nicht diesen, sondern den nächsten ICE zu nehmen. Im französischen TGV geht das nicht so einfach. Dieses unkomplizierte System hat uns im vergangenen Jahr erstmals die Rekordzahl von über 150 Millionen Fahrgästen gebracht. Da wollen wir irgendwann wieder hin.
Es geht aber auch um Sicherheit …
… ja, natürlich können wir derzeit nicht ein geschlossenes Sechserabteil komplett besetzen. Um das zu steuern, gibt es digitale Konzepte, bei denen der Fahrgast rechtzeitig erfährt: Lieber einen anderen Zug nehmen, dieser ist bereits an der Kapazitätsgrenze. Bei der S-Bahn frühmorgens ist das schwieriger. Da kann man schlecht 70 Pendler am
Bahnsteig stehen lassen. Hier müssen wir einen anderen Modus finden, beispielsweise durch den Einsatz von weiteren Zügen. Ich werde auch selbst wieder Bahn fahren und zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft klarmachen: Das System Bahn ist ein Verkehrssystem der Zukunft.
Sie wollen zur Belebung der Wirtschaft Milliarden in die Infrastruktur investieren. Welche Schwerpunkte sind besonders wichtig?
Wir brauchen ein kraftvolles Konjunkturpaket, um aus dieser Krise herauszukommen. Dabei geht es in meinem Bereich um Investitionen in die digitale Infrastruktur, in die klimafreundliche Bahn, in die ebenso umweltfreundlichen Wasserstraßen, in den notwendigen Straßenbau sowie in innovative Antriebe und neue Kraftstoffe. Außerdem wollen wir das Sofortprogramm „Saubere Luft“verlängern. Darüber hinaus werden wir pandemiebetroffene Verkehrssektoren wie die Bahn, den öffentlichen Personennahverkehr, die Deutsche Flugsicherung, Regionalflughäfen und mittelständische Busunternehmen fördern und unterstützen.
Um wie viel Geld geht es dabei?
Das Konjunkturpaket „Investition Zukunft Mobilität“, das ich für den Transport- und Digitalbereich vorgeschlagen habe, umfasst über 28 Milliarden Euro. Darüber werden wir in der Koalition jetzt reden. Das ist eine gewaltige gemeinsame Kraftanstrengung mit Zukunftsdividende.
Deutschland streitet um eine neue Kaufprämie für Autos. Sollte es Geld nur für Elektrofahrzeuge geben? Oder auch für normale Autos mit Verbrennungsmotor?
Wir haben lange vor dem Coronavirus eine Kaufprämie für die alternativen Antriebe vereinbart. Jetzt kann es nur darum gehen, dass wir weitere Fahrzeuge mit einer Kaufprämie versehen. Auch die modernen Verbrenner. Die Prämie wird die Wirtschaft ankurbeln und den Fahrzeugbestand modernisieren. Sie muss unkompliziert sein und sofort wirken. Ich folge dabei den Empfehlungen der Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen
für eine solche Prämie.
Kann man mit einer gezielten Förderung nur für E-Autos der E-Mobilität nicht besser zum Durchbruch verhelfen?
Die Elektroautos sind momentan verkauft, weil unsere E-Prämie bereits gewirkt hat. Jetzt müssen wir bei den modernen Verbrennern die Halde leer bekommen, damit nachproduziert werden kann. Und wir müssen schnell entscheiden. Denn die Kunden werden nicht kaufen, bevor das geklärt ist. Jeder Tag, an dem wir noch nicht entschieden haben, ist für die Hersteller ein verlorener Tag. Die Automobilindustrie ist unsere Leitindustrie, und an ihr hängen noch Maschinenbau, Logistik und Zulieferer mit sehr vielen Arbeitsplätzen dran. Daher müssen wir handeln.
Ein Untersuchungsausschuss klärt, wie es unter Ihrer Führung zu dem teuren Debakel um die Autobahnmaut kommen konnte. Werden Sie das überstehen?
Ich habe Vertrauen in den Untersuchungsausschuss. Wir haben jetzt 2000 Ordner übermittelt und alle Beweisbeschlüsse erfüllt. Aber natürlich wurde dieser Ausschuss auch eingesetzt, um eine politische Auseinandersetzung gegen die CSU und mich in die Öffentlichkeit zu tragen. Parallel gibt es das von uns eingeleitete Schiedsverfahren, in dem wir eine Beilegung des Streites erreichen wollen.
An einen Rücktritt haben Sie nie gedacht?
Nein.