Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Die Klänge des Klimawandels
Der Weimarer Künstler Robin Minard hat eine Installation für Seoul geschaffen
Wer das D-Museum in Seoul besucht, lässt das aufgeregt lautstarke Treiben der südkoreanischen Metropole hinter sich und betritt eine andere Welt. Blaues Licht umfängt den kunstsinnigen Gast, eine schwebende Atmosphäre, in deren Stille er jetzt deutlich Klänge, Geräusche wahrnimmt: wie in einem geschützten Habitat abseits – und doch inmitten – der Großstadt. Dieser „Klimawandel“bildet einen Aspekt der gleichnamigen Installation „Climate Change (Blue)“, die der Weimarer Künstler Robin Minard für eine Ausstellung im „D“komponiert hat.
Und zwar gleich fürs Foyer und den Treppenaufgang. Der Kanadier, der als Professor das Studio für elektroakustische Musik (SeaM) an der Bauhaus-Universität und Franz-Liszt-Hochschule 1997 aufgebaut hat und seitdem leitet, hat sich als Akusmatiker auf öffentliche Räume spezialisiert. „Für mich ist es sehr interessant, in den Dialog mit Räumen einzutreten“, sagt er. „Wir Menschen nehmen sie akustisch wahr.“Nachvollziehbar: Ohne den Hall in einer Kirche etwa, würden wir deren Dimension unterschätzen. Solche erlernten Interpretationen von Sinneseindrücken unterläuft Minard allzu gern.
So auch in Seoul, wohin er eingeladen wurde, eine Gruppenausstellung „SoundMuseum“gemeinsam mit zwölf weiteren, international reputierten Kollegen zu gestalten. Das Klimathema liegt ihm am Herzen, nicht nur weil er über Jahre hinweg für drei große Radioarbeiten indigene Völker im australischen Outback, im Hohen Norden Kanadas und in den Urwäldern Brasiliens besucht und deren ursprüngliche Klangräume „belauscht“hat. Sondern auch aus der Erkenntnis, dass es hierzulande fast keine authentischen Natur-Räume mehr gibt.
Das D-Museum, ein Ableger des Daelim, genießt in Korea mit seinen experimentellen Avantgarde-Exhibitionen mindestens einen Ruf wie bei uns das ZKM Karlsruhe. Zu normalen Zeiten zähle man durchweg 4000 Besucher am Tag, sagt Robin Minard. Kein Wunder, Koreaner sind technikaffin. Und doch ist von elektronischen Geräten nur wenig zu sehen. Minard hat Kabel und Lautsprecher in einem pflanzenähnlichen Arrangement an den Wänden angebracht. „Die Seele sagt: ,pflanzlich’, der Kopf widerspricht: ,technisch’“, erklärt er die Irritation beim Besucher, auf die er schon mit dieser Optik abzielt.
Und so auch die Klanglandschaft: ein pflanzlich-ökologisches Rauschen, ein insektenartiges Zirpen und, weitaus fokussierter, das räumliche Rollen von Kugeln. So zumindest beschreibt er es behutsam selbst. Tatsächlich sind diese soundscapes völlig synthetisch. Wie er sie erzeugt, verrät Minard nicht, und erleben kann man diese Kunst nur vor Ort – ihrer Raumwirkung wegen.
In Thüringen findet man von ihm seit einer Installation zur Eröffnung des Bauhaus-Museums weit und breit nicht ein einziges Werk. Hier möchte er als Hochschullehrer wahrgenommen werden. Aber in aller Welt ist er als Künstler gefragt.