Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Vom Wiederaufb­au der Muskulatur

Zur Radiogala in der Corona-Krise trafen sich Künstler aller neunzehn Musiktheat­er Thüringens, Sachsens und Sachsen-Anhalts in Chemnitz

- Von Michael Helbing

„Einsam in trüben Tagen“, singt Margarethe Fredheim vom Theater Erfurt, „hab’ ich zu Gott gefleht.“Diese Elsa-Arie aus „Lohengrin“mag, wie so manches an diesem mehr als dreistündi­gen Radioabend, doppeldeut­ig klingen. Einsam in trüben Tagen, so ging es, alles in allem, in den Theatern in diesen Wochen ja nun durchaus zu.

Jetzt proben sie wieder. Immerhin. Meiningen versucht Carl Sternheims „Kassette“. Eine „Beischlafs­zene mit drei Metern Abstand“ist da denkbar, meint Intendant Ansgar Haag. Ist ja eine Komödie. Aber was nur wird mit dem „Holländer“? Schließlic­h: „Wagner ist Wagner“.

In der Not geht aber auch das mit Klavierbeg­leitung. Siehe Frau Fredheim. Siehe auch Stéphanie Müther, die ein Jahrzehnt lang in Erfurt sang und inzwischen in Chemnitz, als hochdramat­ischer Sopran, ihr Brünnhilde-Debüt gab. Jetzt singt sie das Finale aus der „Götterdämm­erung“, in einer Fassung Samuel Bächlis, Kapellmeis­ter in Erfurt.

Kurz darauf moderiert Deutschlan­dfunk Kultur dann ab: „Das war eine, nennen wir es, mitteldeut­sche Operngala.“Nun, vom Programm her vielleicht, obschon es auch Operette und Musical bot. In der Form war’s ein Liederaben­d, mit Darbietung­en (oder Einspielun­gen) aller neunzehn Musiktheat­er Thüringens, Sachsens, Sachsen-Anhalts.

Orchester und Chor sind nicht zugelassen; aber Halberstad­t hatte bereits eine„ Bestuhlung­s abstands ausmessung­s probe “. Sachsen indes darf seit dem 18. Mai wieder spielen, theoretisc­h. Doch die Bedingunge­n, sie sind noch nicht so, laut Ingolf Huhn (Annaberg-Buchholz).

Thüringen bereitet den Neustart für den 1. September vor; dafür braucht es „wahrschein­lich Umbaumaßna­hmen“, hören wir den Kulturmini­ster Hoff. Und letztlich gilt generell, was Kay Kuntze (Altenburg-Gera) übers Staatsball­ett sagt: „Das dauert eine ganze Zeit, bis die Muskulatur wieder aufgebaut ist.“

Diese „Revue mit Stammtisch“von Deutschlan­dradio und MDR dreht sich am Samstag in der Oper Chemnitz um die Krise und ihre Folgen. Wir hören, dass Kapellmeis­ter Dominik Beykirch in Weimar mit Sängern ihre Wunschpart­ien einstudier­t. Wir hören von anderen Fassungen und Besetzunge­n, Freiluftko­nzepten und der „radikal reduzierte­n Form“, mit denen ein hygienisch­er Neustart gelingen kann. Wir hören von Sinn- und Existenzkr­isen – und auch von Hoffnung.

Erst kurz vor Schluss fragt Bettina Volksdorf (MDR), ob es nicht die Zeit sei, über neue Modelle von Musiktheat­er nachzudenk­en, anstatt den Status quo wiederherz­ustellen. „Es wird nichts mehr so sein, wie es war“, nickt Franziska Severin (Oper Leipzig). Doch derzeit sei man halt „mit Pragmatism­en beschäftig­t“.

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FOTO: NASSER HASHEMI / THEATER CHEMNITZ Margarethe Fredheim und Ralph Neubert aus Erfurt trugen in Chemnitz die Arie „Einsam in trüben Tagen“vor.

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