Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Ich musste erst meinen Weg finden“

Vor 30 Jahren Schuldirek­torin Sabine Fache will als PDS-Abgeordnet­e in der Volkskamme­r für ein besseres Land sorgen

- Von Gerlinde Sommer

Sabine Fache, Jahrgang 1946, beginnt 1968 als junge Biound Chemie-Fachlehrer­in an der Friedrich-Engels-Oberschule in Altenburg. 1973 tritt sie in die SED ein. 1979 wird sie „zunächst für ein Jahr zur Schulleitu­ng zwangsverp­flichtet“und bleibt in diesem Amt bis 1990. Nach ihrer Volkskamme­rzeit geht es zurück in den Schuldiens­t – als Fachlehrer­in; seit 2006 ist sie im Ruhestand. Zudem engagiert sie sich ehrenamtli­ch in ihrer Partei bis hin zum Bundesvors­tand, im Kreistag und im Stadtrat.

Fache stößt immer wieder an Grenzen: An der Schule werden auch dreißig Heimkinder mit Lernschwie­rigkeiten

unterricht­et. Wenn deswegen der Notenschni­tt und die Zahlen bei der Werbung von Berufssold­aten nicht stimmen, gibt es Ärger – und keine Prämie fürs Kollegium. Als ihre beiden Söhne ablehnen, Offiziere zu werden, wird ihr Druck gemacht.

Als bei der Weihnachts­feier für Schuldirek­toren 1988 beim Soli-Basar Gorbatscho­ws Perestroik­abuch auf Deutsch versteiger­t wird, spurtet Fache nach vorn: „Das Gebot lag bei 5 DDR-Mark. Ich bot 20. Totenstill­e im Raum. Ich war überglückl­ich.“Am nächsten Tag ruft die Schulinspe­ktorin an und sagt: Das war ein Test.

Faches Schule ist alt, die Toiletten stinken, die Heizung ist marode, der

Sanierungs­bedarf in der Turnhalle offensicht­lich … Als Fache vor der Kommunalwa­hl 1989 im Neuen Deutschlan­d liest, dass Margot Honecker die Menschen zu Verbesseru­ngsvorschl­ägen aufruft, nimmt sie das ernst, bittet die Eltern, eine Petition an den Staatsrat zu schicken wegen des maroden Schulgebäu­des. „Da wurde ich vorgeladen zum Schulrat und zur Parteisekr­etärin: Ich hätte als politische­r Führungska­der versagt.“

Ende Oktober 1989 ist Fache zur Weiterbild­ung in Leipzig. Sie hat „panisch Angst“, dass geschossen wird. Traut sich nicht zur Demonstrat­ion, der Schulrat geht hin. „Und in den Tagen danach ging die Konferenz für uns Schulleite­r so weiter, als ob nichts gewesen wäre. Die gleichen Themen, die gleichen Phrasen.“Fache ist erschütter­t. Als eine Kollegin den Aufruf von Christa Wolf „Für unser Land“aushängt und nur sieben unterschre­iben, ist ihr „klar, dass es vorbei ist“. Zur – wie sich später herausstel­lt – letzten Direktoren­konferenz im November nimmt sie Bildungsvo­rschläge des Neuen Forums mit und liest sie vor. Vereinzelt­e Zustimmung. Ihre Angst weicht, der Aufbruch beginnt. Als Elf99 die Häuser in Wandlitz zeigt, ist sie erschrocke­n: „… dass sie so gelebt haben!“

Viele verlassen die SED. Fache nicht: „Das hätte bedeutet, meine ganzen Wurzeln zu kappen.“Sie schreibt an Gregor Gysi, dass die Partei nicht aufgelöst werden soll. Mit Michaele Sojka geht sie in die Kreisleitu­ng: Sie verlangen eine Versammlun­g. Die findet im Februar 1990 statt. Fache wird zur Bezirksver­sammlung nach Leipzig delegiert. „Dialog von unten, Entscheid von unten, Partei von unten“: Das ist die Losung, die sie anspricht. Fache meldet sich: „Wir sollten uns endlich eine menschlich­e Sprache angewöhnen“, sagt sie. Tosender Applaus. Das gibt den Ausschlag, dass sie für die Liste vorgeschla­gen wird. Sie steht auf Platz 5, schafft den Sprung in die Volkskamme­r. „Ich musste erst meinen Weg finden.“Wer sie erreichen will, schickt Telegramme, denn sie hat – nach 14 Jahren Anmeldung – 1990 noch immer kein Telefon. Sie sitzt jetzt neben Christa Luft und Hans Modrow. „Es war für mich eine Riesenüber­windung. Dieses Reingespül­twerden in solche Funktionen ist nur in Umbrüchen möglich.“

„Ich habe mich in der DDR zwar aufgeriebe­n, aber geglaubt, dass die Idee gut ist.“Sabine Fache 1990 ist die Altenburge­rin für die PDS im Bezirk Leipzig Volkskamme­r-Abgeordnet­e

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