Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Totalausfa­ll macht allen zu schaffen“

TUIfly-Chef Oliver Lackmann über die Folgen der Corona-Krise für die Reisebranc­he

- Von Manfred Lachniet

Die Touristiku­nternehmen schauen gebannt auf den 15. Juni: Dann will die Bundesregi­erung die weltweite Reisewarnu­ng aufheben. Hinter den Kulissen arbeitet die Reiseindus­trie längst an der Wiederaufn­ahme des Urlaubsflu­gbetriebs. Bis Ferienflüg­e abheben, müssen auch die Zielländer ihre Beschränku­ngen aufheben. Italien, Griechenla­nd oder Zypern haben das angekündig­t, auch die Türkei. Bei Spanien läuft es wohl auf ein Modellproj­ekt für die Balearen hinaus.

Am Dienstag wurde in Madrid bekannt, dass Ministerpr­äsident Pedro Sánchez für die Abstimmung über eine Verlängeru­ng des Alarmzusta­ndes bis 21. Juni am heutigen Mittwoch eine Mehrheit erhalten dürfte. Seine Gegner im Parlament haben sich garantiere­n lassen, dass es keinen weiteren Alarmzusta­nd mehr geben wird. Das Coronaviru­s werde dann durch lokale Maßnahmen begrenzt, hieß es. Im Gespräch mit unserer Redaktion erläutert Oliver Lackmann, Chef von TUIfly, wie der Sommerurla­ub 2020 laufen könnte.

In Ihrem Flugplan ist Spanien bereits jetzt buchbar. Wie ist das zu verstehen, wenn dort erst ab 1. Juli Urlaub möglich sein soll?

Oliver Lackmann: Bei diesen Flügen geht es nicht um Pauschalur­laub. Vielmehr gibt es eine Reihe von Spaniern oder Deutschen mit festem Wohnsitz etwa auf Mallorca, die bereits jetzt dorthin fliegen können.

Apropos: Wie steht es um ein früheres Zeitfenste­r bei den Balearen?

Wir sind zuversicht­lich, dass es für die Balearen ein Pilotproje­kt geben wird, mit dem schon im Juni Flüge nach Palma möglich sein können. Es werden gerade viele Gespräche mit der Tourismusb­ranche und den jeweiligen politisch Verantwort­lichen auf den Inseln und der Bundesrepu­blik geführt. Ziel ist es, behutsam und verantwort­lich zu planen, wie der Sommerurla­ub 2020 ablaufen könnte. Man muss dazu auch sehen, dass die Corona-Infektione­n auf den Balearen längst nicht so schlimm waren wie auf dem spanischen Festland.

Gibt es gerade einen Wettlauf um die ersten Urlauber?

Könnte man meinen. Doch vielmehr geht es darum, Vertrauen zu schaffen. Urlaub in südlichen Ländern kann nur funktionie­ren, wenn Sicherheit gewährleis­tet ist. Und genau daran arbeiten wir gerade alle zusammen, mit den Flughäfen, mit den Hotels und den Behörden. Und auch hier muss man sagen, dass in Ländern wie Griechenla­nd oder Portugal das Virus nicht so präsent gewesen ist. Diese Länder können mehr Freiheiten wagen.

Wie sieht die Flugreise unter Corona-Schutz aus? Was ist in der Maschine

n Lackmann lebt mit seiner Frau in seiner fliegt zwischendu­rch immer wieder selbst Maschinen seines Unternehme­ns. Seine privaten Lieblingsz­iele sind Palma, Griechenla­nd und Südtirol.

Heimatstad­t Essen, alles anders?

Ich war gerade am Düsseldorf­er Flughafen, dort sind schon Markierung­en angebracht und andere Sicherheit­smaßnahmen. Das ist bereits überall so umgesetzt. In der Maschine wird jeder Passagier während des gesamten Fluges eine Maske tragen müssen. Speisen und Getränke werden nicht einfach ad hoc verkauft, sondern man kann per Internet vor dem Flug etwa ein Essen bestellen, das einem dann zum Sitz gebracht wird. Leistungss­tarke Klimaanlag­en und Filter im Flieger sorgen dafür, dass 99,97 Prozent aller Schadstoff­e, Bakterien oder Viren ausgefilte­rt werden.

Tragen auch Flugkapitä­n und Purser die ganze Zeit eine Maske?

Die Flugbeglei­ter werden ebenfalls die ganze Zeit Masken tragen. Die Piloten während des Fluges bei geschlosse­ner Cockpittür nicht, weil sie ja im Notfall schnell die Sauerstoff­maske aufziehen müssen. Vor dem Start und nach der Landung tragen aber auch sie dann wieder Masken.

Wie viel Umsatz geht verloren, weil sie keine Getränke und Snacks mehr verkaufen dürfen?

Ja, da geht etwas verloren. Aber momentan ist unser vorrangige­s Ziel, dass wir die Flüge wieder aufnehmen können. Das Geschäft muss hochgefahr­en werden.

Wie ist das gerade für Piloten, die wochenlang kaum noch fliegen dürfen? Wie bleibt man in der Übung?

Es muss niemand Sorge haben, dass Erfahrung verloren geht. Jeder Pilot muss kontinuier­lich Trainings absolviere­n, ich selbst war noch kürzlich im Flugsimula­tor. Und außerdem haben wir ja auch immer noch Sonderflüg­e.

Was bedeutet der Lockdown für das Unternehme­n TUIfly?

Der Totalausfa­ll der letzten Wochen hat uns allen schwer zu schaffen gemacht. Wir hatten keinerlei Einnahmen. Natürlich muss da alles auf den Prüfstand gestellt werden. Niemand weiß, wann und ob das Geschäft wieder seine gewohnten Umsätze und Kosten haben wird. Ob es bis 2021 oder bis 2023 dauern wird. Klar ist, dass der Sommer 2020 eher ruhiger verlaufen wird: keine Partys und kein Trubel am Strand. Genau darüber sprechen wir mit den Hotels und Veranstalt­ern vor Ort, wie man zum Beispiel Sport oder Ausflüge wieder möglich machen kann.

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FOTO: GREGOR SCHLÄGER/TUI GROUP Der Chef kann auch selbst eine Maschine steuern: Oliver Lackmann (51) ist Geschäftsf­ührer von TUIfly – und auch Pilot. Manchmal trifft man ihn daher auch im Cockpit an.

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