Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Selbst die Diebe haben Angst vor dem Virus

Gespräch mit Polizeidir­ektor Detlev Schum über das Verhalten der Menschen in der Pandemie-Zeit

- Von Hans-Peter Blum

Der Umgangston wird rauer. Das merken auch die Polizisten, die sich im Einsatz viel gefallen lassen müssen. Über seine Erfahrunge­n in Zeiten der Corona-Pandemie sprachen wir mit Polizeidir­ektor Detlev Schum, dem Chef der Nordhäuser Landespoli­zeiinspekt­ion, die auch für den Landkreis Eichsfeld zuständig ist.

Hat die Aggressivi­tät Ihren Beamten gegenüber zugenommen? Sahen sich diese auch schon Spuckattac­ken ausgesetzt?

Nein. Wenn wir vor der CoronaZeit angespuckt worden wären, hätte es doch niemanden interessie­rt. Natürlich werden wir angepöbelt, ignoriert und selten auch angespuckt, aber auch nicht mehr als früher. Eigentlich sogar noch weniger als im Vorjahr.

Das heißt, Sie verspüren keine Änderung durch die Corona-Pandemie?

Doch, aber anders als viele vielleicht denken. Dazu nur ein Beispiel. Wir hatten früher im Bereich der Landespoli­zeiinspekt­ion im Schnitt etwa 30 Verkehrsun­fälle pro Tag. Jetzt zählen wir nur noch 15 bis 20. Es ist auf den Straßen viel weniger los gewesen.

Trifft das denn auch auf die Kriminalit­ät zu?

Ja, auch hier haben wir weniger Fälle zu verzeichne­n. Selbst die Diebe hatten zu Beginn der Pandemie scheinbar Angst, ihrer kriminelle­n Beschäftig­ung nachzugehe­n. In der zweiten Märzhälfte und im April war es schlagarti­g ruhig geworden, wir hatten viel weniger Einsätze.

War dies im Mai nach den ersten Lockerunge­n immer noch so?

Nein. Das gesamte Einsatzges­chehen hat wieder zugenommen, auch wenn wir noch nicht bei hundert Prozent eines normalen Mai-Monats sind.

Wie wirkte sich die Pandemie auf die Familien aus? Gab es mehr Fälle häuslicher Gewalt?

Nein. Ich habe zunächst auch gedacht, wir werden die Frauenhäus­er und Jugendheim­e voll haben, weil die Gewalt ansteigen wird. Doch das ist zumindest bei den Frauenhäus­ern nicht eingetroff­en. Die Prognosen deuten sogar auf weniger Fälle hin. Bei den Kindern fehlen uns dagegen noch belastbare Daten, um eine genauere Aussage treffen zu können. Einen Lagerkolle­r werden sicher einige Familien bekommen haben. Aber das hat sich nicht spürbar gegenüber unseren Beamten ausgewirkt.

Haben Sie das Beratungsa­ngebot für Familien ausgeweite­t?

Nein. Da keine signifikan­te Zunahme bei Fällen häuslicher Gewalt zu verzeichne­n ist, sind wir hier nicht tätig geworden. Wir weisen aber immer auf unsere Hilfsangeb­ote hin, wenn uns dies nötig erscheint.

Die Polizei hat die Ordnungsäm­ter bei der Kontrolltä­tigkeit der Corona-Auflagen unterstütz­t. Haben sich die Menschen an die Vorgaben gehalten?

Wir haben die Leute auf ihr Fehlverhal­ten hingewiese­n und konnten die meisten Probleme verbal lösen.

Es gab nur ganz vereinzelt Anzeigen. Die Nordhäuser haben sich hier vorbildlic­h verhalten. Das war im Eichsfeld und im Unstrut-Hainich-Kreis anders. Dort gab es mehr Verstöße.

Wie bewerten Sie die als HygieneSpa­ziergänge bezeichnet­en Proteste der jüngsten Zeit?

Wir haben in Nordthürin­gen mehrere Städte, wo dieses Phänomen zu verzeichne­n ist.

Welche Auswirkung­en hatte und hat die Pandemie auf die Dienstplan­gestaltung in Ihrer Behörde?

Ich kann Ihnen dazu aus dienstrech­tlichen Gründen keine genaueren Angaben machen. Daher so viel: Wir sind Weltmeiste­r im Umplanen. Denn wir bieten alle organisato­rischen Möglichkei­ten für unsere Mütter und Väter an. Schließlic­h bilden wir den Durchschni­tt der Gesellscha­ft ab. Aber Sie können sicher sein: Die polizeilic­he Präsenz war immer gewährleis­tet – extern bei der Streifentä­tigkeit und intern.

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ARCHIV-FOTO: MARCO KNEISE Polizeidir­ektor Detlev Schum

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