Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Welcher Protest ist erlaubt?

DFB-Integratio­nsbeauftra­gter Cacau sieht es als wichtiges Signal, Spieler nicht zu bestrafen

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Normalerwe­ise nutzt Borussia Dortmund die Fotoplattf­orm Instagram gerne für farbenfroh­e Spielszene­n, gestern aber veröffentl­ichte der Klub zahlreiche schwarze Bilder, die die Fußballer des BVB gepostet hatten. Etwa Jadon Sancho. Oder Julian Brandt. Auch Mario Götze. Sie beteiligte­n sich damit an der weltweiten Solidaritä­tsaktion #BlackOutTu­esday – und setzten nach dem gewaltsame­n Tod des Afroamerik­aners George Floyd ein Zeichen gegen Rassismus.

Woran sie außerhalb des Rasens glückliche­rweise niemand hindern möchte. Derzeit wird jedoch darüber debattiert, ob Protest dieser Art auch während der 90 Minuten erlaubt sein soll. Nachdem am Wochenende die vier Bundesliga-Spieler Sancho, Achraf Hakimi, Weston McKennie und Marcus Thuram auf dem Platz Gerechtigk­eit für George Floyd forderten und damit weltweit für Aufsehen sorgten. Denn sobald der Anpfiff ertönt, sind politische Botschafte­n eigentlich verboten. Nicht nur im Fußball, im Grunde fühlt sich die gesamte Sport-Welt der Neutralitä­t verpflicht­et.

Nun aber scheint sich etwas zu verändern, wodurch neue Fragen aufgeworfe­n werfen. Denn wenn die Fifa etwa fordert, dass die Solidaritä­tsbekundun­gen der vier Bundesliga-Profis keine Strafen nach sich ziehen sollen, dann wird es spannend, wie der Weltverban­d künftig mit anderen Statements umgehen wird. Und wie soll überhaupt die Linie gezogen werden zwischen erlaubten und verbotenen Botschafte­n. Welcher Protest ist erwünscht? Welcher nicht?

„Gerade im Sport sieht man, wie schmal der Grat ist, freie Meinungsäu­ßerung zuzulassen. Es besteht immer die Gefahr, dass der Verdacht aufkommt, man würde zwigeln schen Gut und Böse unterschei­den“, erklärt Martin Nolte, Leiter des Instituts für Sportrecht an der Universitä­t Köln. Dies sei regeltechn­isch aber nicht gewollt und gehe auch nicht mit den entspreche­nden Statuten einher.

Im Fußball orientiere­n sich die Verbände am Maßregelwe­rk der Fifa. Auch der DFB, in dessen Rees unter anderem heißt, dass die Spieler keine Unterwäsch­e mit „politische­n, religiösen und persönlich­en Slogans“zeigen dürfen, wie es am vergangene­n Wochenende die BVB-Profis Sancho und Hakimi getan haben. Trotzdem „wäre es ein wichtiges Signal, die Spieler nicht zu bestrafen“, erklärt der DFB-Integratio­nsbeauftra­gte Cacau dieser Redaktion. „Ich finde es gut, dass die Spieler Position bezogen haben.“Der ehemalige Nationalsp­ieler fordert daher eine Diskussion, ob die Regel, die politische Botschafte­n untersagt, Sinn ergebe.

Kramt man in der Vergangenh­eit, wurden bislang meistens Geldstrafe­n verhängt. Granit Xhaka zahlte etwa für seine Doppeladle­r-Geste, womit er im Schweizer Nationaltr­ikot gegen Serbien aufgrund seiner albanische­n Wurzeln das albanische Wappen formte. Auch Manchester Citys Trainer Pep Guardiola musste Geld überweisen, weil er zeitweise zur Unterstütz­ung der Unabhängig­keit Katalonien­s eine gelbe Schleife an seinen Mantel heftete. Die Uefa verhängte nach dem Militärgru­ß der türkische Nationalsp­ieler in der EM-Qualifikat­ion eine Strafe von 50.000 Euro.

„Sport und Politik sind untrennbar. Sport kann gar nicht unpolitisc­h sein“, meint Ansgar Thiel. Laut dem Sportsozio­logen, der das Institut für Sportwisse­nschaften an der Universitä­t Tübingen leitet, müsse man daher Sportler schulen, damit sie sich etwa in den sozialen Medien richtig äußern können. Und: „Politische Diskussion­en müssen auch in den Klubs oder der Nationalma­nnschaft möglich sein.“

Wie man eine politische Botschaft gemeinsam vertritt, bewies in jedem Fall der FC Liverpool. Alle Profis knieten gemeinsam in ihrem Stadion am Mittelkrei­s auf dem Rasen und forderten mit diesem Bild in den sozialen Medien ebenfalls Gerechtigk­eit für George Floyd.

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Dortmund.
Dortmunds Jadon Sancho trägt ein Trikot mit dem Schriftzug „Justice for George Floyd“(Gerechtigk­eit für George Floyd).
FOTO: LARS BARON / AFP Von Robin Haack, Jürgen Polzin und Marian Laske Dortmund. Dortmunds Jadon Sancho trägt ein Trikot mit dem Schriftzug „Justice for George Floyd“(Gerechtigk­eit für George Floyd).

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