Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Bastelarbeiten am Werder-Wunder
Bremen geht mit einem Aufwärtstrend in das Spiel gegen Frankfurt, auch wenn Trainer Kohfeldt mit Vergleichen nicht viel anfangen kann
Die Bilder gehören längst zur Vereinsgeschichte des SV Werder wie die vier Meisterschaften und sechs Pokalsiege. Am Pfingstsamstag vor vier Jahren löste das 1:0 gegen Frankfurt Glücksgefühle wie nach einem Titelgewinn aus. Die in den Innenraum geströmten Fans nahmen Rasenteile und Tornetz mit nach Hause, weil in letzter Minute die Relegation abgewendet wurde.
„Ziemlich jung, ziemlich nervös“, sei er gewesen, erinnerte sich Bremens Cheftrainer Florian Kohfeldt, der damals die Assistentenrolle besetzte. Vier Jahre später ist die Lage vor dem Nachholspiel im Weserstadion (heute 20.30 Uhr) anders.
Die Bremer können bei einem Sieg die direkten Abstiegsränge verlassen, die Hessen fast schon das Abstiegsgespenst verjagen. Und doch hat das 100. Bundesliga-Duell der Traditionsvereine keinen finalen Charakter. „Nach diesem Endspiel werden für uns noch fünf weitere folgen“, beteuerte Kohfeldt, der die Eintracht „nicht als Konkurrent“betrachtet. Denn: „Die sind nicht wirklich im Abstiegskampf drin.“Auch bei den Emotionen können keine Parallelen entstehen: Am 14. Mai 2016 war der WerderMannschaftsbus durch grün-weiße Massen gekrochen, heute halten die Menschen am Osterdeich bewusst noch mehr Abstand als auf der Flaniermeile Schlachte.
Mit sieben Punkten aus drei Partien, 1:0 in Freiburg, 0:0 gegen Gladbach und 1:0 auf Schalke, ist die Hoffnung zurückgekehrt, den zweiten Abstieg seit 1980 zu verhindern.
Nicht mal die Tatsache, dass Werder seit neun Monaten keinen Heimsieg eingefahren hat, bremst den zarten Optimismus. Kohfeldt lieferte eine interessante Erklärung, dass die strengen Vorgaben durch das Hygienekonzept sogar helfen, im viel beschworenen Tunnel zu bleiben. „Durch die langen Hotelaufenthalte gibt es nichts anderes.“
Der Coach hat erkannt, dass die einst von Werder-Legende Otto Rehhagel erschaffene WagenburgMentalität auch einem offeneren Trainertypen wie ihm nutzen kann.
Er erklärt weniger und fordert mehr. Der Schulterschluss ist gut daran zu besichtigen, wie Reservisten, CoTrainer und Physiotherapeuten die Protagonisten auf dem Platz anfeuern. Die Zwangsunterbrechung half zudem, die eklatanten Fitnessdefizite aufzuarbeiten. So könnte sich die Absage der ursprünglich für den 1. März angesetzten Begegnung sogar als Segen erweisen könnte. Der einst vorgebrachte Unmut über die Verlegung – durch das verschobene Frankfurter Europa-League-Spiel in Salzburg – hat sich verflüchtigt. Den Klassenerhalt würde Kohfeldt über alles bisher Erreichte stellen.
Eine Art Mini-Wunder von der Weser wäre es allemal. Zumal die Clubführung den Trainer gegen alle
Branchengesetze schützt. Manager Frank Baumann sagte, es interessiere ihn nicht, ob er sich bestätigt fühlen darf: „Wir haben immer an Florian geglaubt und sind sicher, dass wir in dieser Konstellation den Klassenerhalt schaffen können.“Aber noch ist das Gebilde wacklig.
Dass Leihgabe Kevin Vogt effektiv zwischen Mittelfeld und Abwehr pendelt und Torwart Jiri Pavlenka wieder zu alter Klasse gefunden hat, war mindestens so gewinnbringend wie die goldenen Tore von Leonardo Bittencourt. „Er hat Eigenschaften, die uns immer gut tun“, so Kohlfeldt. Mit einem dritten Volltreffer binnen kürzester Zeit könnte Bittencourt gegen Frankfurt neue Werder-Geschichte schreiben.