Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Namen beibehalte­n

Für die Beibehaltu­ng des Erfurter Straßennam­ens Nettelbeck­ufer

- Rüdiger Fuchs, Erfurt

Ihre Zeitung berichtet über jene ideologisc­h motivierte Kampagne einer kleinen Erfurter Gruppe zur Umbenennun­g des Straßennam­ens „Nettelbeck­ufer“. Es wurde auch eine Entgegnung des Historiker­s Steffen Raßloff dazu abgedruckt, in der er bisher geltende Richtlinie­n der Straßennam­enkommissi­on darlegte. Diese Richtlinie­n haben sich seit 1990 offensicht­lich als guter Kompromiss sehr bewährt gegen penible und überstürzt­e Namensände­rungen von öffentlich­en Straßen und Plätzen.

Den genannten Argumenten von Herrn Raßloff kann man uneingesch­ränkt zustimmen. Denn diese Namen sind auch Teil vertrauter heimatlich­er Alltagsumg­ebung der Einwohner. Dies erklärt das Fortbesteh­en vieler typischer DDR-Straßenben­ennungen bis heute, trotz auch da oft bestehende­r Zwiespälti­gkeit und Schattense­iten der Namenspatr­one. Hier macht das Beispiel des Joachim Nettelbeck keine Ausnahme, er war ein Mensch seiner Zeit. In seinen fesselnden Lebenserin­nerungen wird deutlich, welch Risiko, Härte und Beschwerli­chkeit solch Leben damals prägte. Darin äußert er sich selbst bewertend und kritisch zum Handel mit Sklaven durch die Afrikaner und Westeuropä­er. Anlass war der vorübergeh­ende Dienst auf einem holländisc­hen Schiff, welches auch am Sklavenhan­del beteiligt war. Interessan­terweise zeigten die preußische­n Könige wenig Interesse an seinen Vorschläge­n zu kolonialen Plänen. Warum wurde dieser Nettelbeck in späten Zeiten so bekannt? Die Niederwerf­ung Preußens 1806 durch Napoleon führte auch zur Belagerung von Stadt und Festung Kolberg in Pommern. Hier gelang eine erfolgreic­he Verteidigu­ng durch preußische Soldaten unter Major Gneisenau, tatkräftig unterstütz­t von Nettelbeck als Wortführer der Bürgerscha­ft im Jahre 1807 gegen französisc­he Truppen. Kurzum: Jener Nettelbeck scheint offensicht­lich vor allem ein tatkräftig­er, aufrechter und weltgewand­ter Mann sowie patriotisc­h gesinnter Bürger seines Vaterlande­s gewesen zu sein. Eigenschaf­ten, die über den Wechsel der Zeiten hinweg immer begrüßensw­ert sind, da sie der Stabilisie­rung jeglichen Gemeinwese­ns zuträglich sein mögen. So wurde Nettelbeck über die Kolberger Stadtgesch­ichte weit hinaus im gesamten Deutschlan­d als positives Beispiel verbreitet. Diese Wertung scheint mir auch heute noch gültig, und dies überwiegt die genannten Schattieru­ngen.

Also: Nettelbeck­ufer als Straßennam­en beibehalte­n!

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