Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Urlaub unter Vorbehalt
Die Regierung will die Reisewarnung für 31 Staaten aufheben – sofern die Infektionszahlen niedrig bleiben
Im Juni beginnen traditionell die Schulferien in den ersten Bundesländern und die Hauptreisezeit – die Bundesregierung legte am Mittwoch eine Punktlandung hin und hob die seit dem 17. März geltende Reisewarnung zum 15. Juni auf. Er wisse, dass die Entscheidung „große Hoffnungen und Erwartungen weckt“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD), der reserviert klang und Vorbehalte anmeldete. „Reisewarnungen sind keine Reiseverbote und Reisehinweise sind keine Reiseeinladungen.“Und: „Wir müssen gemeinsam verhindern, dass eine Aufnahme des Tourismus zu einer zweiten Welle führt.“
Norwegen bleibt geschlossen, Quarantäne in Großbritannien
Auch für den Fremdenverkehr gilt in der Pandemie: Fahren auf Sicht. Aufgehoben wird die Warnung für Reisen in EU-Länder, ferner nach Großbritannien sowie nach Island, Norwegen, Schweiz und Liechtenstein, weil diese vier Staaten zum grenzkontrollfreien Schengenraum gehören. Für Norwegen hat das allerdings vorerst keine praktische
Bedeutung, weil dort eine Einreisesperre gilt. Das Hauptzielland der deutschen Urlauber – Spanien – will dem Vernehmen nach Touristen erst ab dem 21. Juni einreisen lassen. Ein anderes klassisches Urlaubsland - Italien - hat den Reiseverkehr freigegeben. Allerdings sind die Italiener zum Teil vom Wohlwollen eines Transitlandes abhängig: von Österreich. „Für eine Öffnung der Grenze zu Italien ist es noch zu früh, das geben die Gesundheitsdaten noch nicht her“, sagte die Wiener Tourismusministerin Elisabeth Köstinger unserer Redaktion. Österreich habe immer einen großen Fokus auf möglichst rasche Grenzöffnungen zu seinen Nachbarstaaten gelegt, die im Kampf gegen das Coronavirus ähnlich erfolgreich seien. Sie sehe, dass sich die Situation in Italien deutlich verbessert habe und einzelne Regionen – wie beispielsweise Südtirol – schon gute Covid-19-Zahlen vorweisen können. Das Ziel sei eine Öffnung zu Italien – aber eben erst „sobald die Zahlen es zulassen.“
Auch der Reiseverkehr nach Großbritannien dürfte sich in Grenzen halten. Denn: Die Briten verlangen, dass Einreisende erst einmal für 14 Tage in Quarantäne gehen.
Eine ähnliche Auflage gilt für die portugiesische Ferieninsel Madeira, allerdings mit einer wichtigen Ausnahme: Wer 72 Stunden vor Abflug einen Test gemacht hat und nicht mit dem Corina-Virus infiziert ist, muss nicht in Quarantäne gehen.
Maas sagte, die Bundesregierung habe es sich mit ihrer Entscheidung nicht einfach gemacht. Aber: „Überall werden die Lockdow-Maßnahmen
schrittweise zurückgeführt. Der Betrieb in Hotels und Restaurants läuft wieder.“Michael Rabe, Generalsekretär des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft, sagte unserer Redaktion, vielerorts seien die Eindämmungsstrategien äußerst erfolgreich gewesen und hätten dazu geführt, dass in europäischen Reisezielen „die Zahl der Neuinfektionen auf deutschem Niveau oder sogar darunter liegt“. Das trifft zum Beispiel auf Dänemark und Österreich zu, die jeweils auf rund 2.000 Corona-Ansteckungen pro eine Million Einwohner kommen. In Deutschland liegt dieser Wert bei knapp 2.200.
Das Auswärtige Amt will tagesaktuell zu jedem Land Reisehinweise abgeben und die Aufhebung einer Warnung zukünftig davon abhängig machen, wie sich die Lage vor Ort entwickelt. Der Maßstab: Bei mehr als 50 Neuinfizierten auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen „müssen wir darauf reagieren“. Dann droht wieder eine Warnung. „Wir dürfen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Die Pandemie ist längst nicht vorbei“, mahnt Maas..
Wie in Italien mit Südtirol wird man auch in anderen Staaten zwischen den Regionen differenzieren müssen. Ein weiteres Beispiel ist Portugal: Im Norden des Landes, wo die Pandemie ausbrach, beträgt die Zahl der 16.789, in der Algarve im Süden 372, in Madeira 91 – auf der Insel ist überhaupt niemand an Covid-19 gestorben.
„Falls das Infektionsgeschehen Anpassungen notwendig macht, gilt
Infektionsfälle
es, diese zu akzeptieren. Diese Flexibilität müssen wir in der gegebenen Situation von allen erwarten – von den touristischen Dienstleistern genauso wie von den Kunden“, analysiert Tourismusfachmann Rabe. Der Gesundheitsschutz gehe vor. Die Flexibilität sei in diesem Jahr Grundvoraussetzung dafür, „dass wir nun doch noch Reisefreiheit in Deutschland und Europa genießen können“. Die gesamte Reisebranche, gerade auch die Luftfahrtindustrie, reagierte erleichtert. Es ist der erste Schritt zurück zur Normalität, wenn auch begrenzt auf Europa – und hier auch nicht überall. Für die Türkei gilt die Erleichterung noch nicht. Die Entscheidung über Reisen in Staaten außerhalb der EU trifft die Brüsseler Kommission. Man geht davon aus, dass sie die bisherigen strikten Beschränkungen erneut verlängern wird. Auf dem Prüfstand stehen nicht zuletzt die Fluggesellschaften. Wie die Lufthansa wollen viele Linien in ihren Flugzeugen keine Mittelplätze – als Puffer – freilassen, obwohl die UNLuftfahrtorganisation ICAO Abstände von einem Meter zwischen den Passagieren empfohlen hat.
„Für eine Öffnung der Grenze zu Italien ist es noch zu früh, das geben die Gesundheitsdaten noch nicht her.“Elisabeth Köstinger, österreichische Tourismusministerin
Eine zweite Rückholaktion will der Außenminister unbedingt vermeiden
Schon bisher gab es keine Ausreiseverbote. Vom Frankfurter Flughafen fliegen täglich wenige Maschinen ins europäische Ausland. Aber jetzt haben die Menschen mehr Handlungssicherheit und setzen sich nicht dem Verdacht aus, sie hätten sich fahrlässig über eine „offizielle“Reisewarnung hinweggesetzt. Aber: Urlauber brauchen Zeit, um sich zu entscheiden. Und sie haben nur eine eingeschränkte Planungssicherheit. Ein Reisehinweis des Auswärtigen Amts kann - im Extremfall – innerhalb einer Woche umschlagen. Es ist die Stunde der Kurzentschlossenen. Ein Restrisiko müssen freilich auch sie abwägen: Die medizinische Versorgung, falls man im Urlaub schwer am Virus erkrankt. Im Einzelfall werden die Botschaften immer helfen. Aber eine Situation soll sich nach der Überzeugung des Außenministers nicht wiederholen. Maas sagt: „Wir werden nicht noch einmal ein eigenes Rückholprogramm auflegen“.