Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
So wirkt das 130-Milliarden-Paket
Mehrwertsteuersenkung, Kinderbonus, höhere E-Auto-Prämie, günstigerer Strom – wer profitiert?
Berlin . Angela Merkel muss mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping telefonieren. Es ist dringend, schließlich muss sie die Absage des geplanten EU-China-Gipfels im September wegen der Corona-Pandemie besprechen.
Die Weltpolitik beschert den im Kanzleramt tagenden Koalitionären am Mittwochnachmittag eine Pause: SPD-Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz und CSULandesgruppenchef Alexander Dobrindt drehen eine Runde im Garten des Kanzleramts, später stößt Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) dazu. Die Pause dauert immer länger. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich stöbert in der Bibliothek, bei der Union sinniert man über das Paket. Plötzlich klingelt das Handy von CSU-Chef Markus Söder. SPD-Mann Norbert WalterBorjans ist dran: „Wo bleibt ihr denn?“Antwort: „Wir warten auf euch.“„Wir doch auch“. So verliert man im Ringen um das 130 Milliarden Euro-Paket zwar ein paar Stunden – doch am Tag danach sind Union und SPD zufrieden. Ich glaube, jeder der Koalitionspartner findet sich in diesem Paket wieder“, sagt CDU-Chefin Annegret KrampKarrenbauer. Ein Überblick, wer von dem Konjunkturpaket wie profitiert.
■ Verbraucher
Auf dem Papier theoretisch jeder, da die Umsatzsteuer auf alle Waren und Konsumgüter fällig wird. Vor allem Geringverdiener könnten profitieren, da sie – gemessen am Einkommen – mehr Geld für Essen, Trinken und Alltagsprodukte als Besserverdiener ausgeben müssen. Bereits ab 1. Juli wird die Steuer von 19 auf 16 Prozent (bei reduzierten Sätzen von 7 auf 5 Prozent) abgesenkt – befristet bis Jahresende. Das soll einen Konsumboom auslösen. Fraglich ist jedoch, ob der Handel mitzieht und zügig seine Preise voll anpasst. Je teurer man einkauft, desto mehr kann man theoretisch sparen. Bei einer Flasche Saft für jetzt
99 Cent macht die Steuersenkung zwei Cent aus, bei einer Waschmaschine für 700 Euro bereits 15 Euro. Lässt der Händler den Verkaufspreis trotzdem gleich, macht er entsprechend mehr Gewinn – ändert er ihn, spart der Verbraucher. Im Handwerk könnte sie gut greifen, da Renovierungsleistungen oft netto ausgewiesen werden. Mit der Mehrwertsteuersenkung nimmt die Koalition auf jeden Fall den größtmöglichen Hebel in die Hand, um die Kauflaune anzuregen. Die Maßnahme allein kostet den Staat rund
20 Milliarden Euro.
Scholz forderte den Handel bereits auf, die Steuersenkung an die Verbraucher weiterzugeben – zwingen kann die Politik die Geschäfte aber nicht. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte, sie setze auch auf den mündigen Konsumenten „und ein bisschen auf Schwarmintelligenz“. Sie könne sich kein wirklich kluges Unternehmen vorstellen, das sich in eine Debatte mit Kunden verwickeln lasse, ob es die Erleichterung weitergebe.
■ Familien
Familien erhalten im Rahmen des Konjunkturpakets einen einmaligen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind. Der Bonus muss versteuert werden, er wird aber nicht auf Hartz IV angerechnet. Die Extrazahlung soll voraussichtlich in drei Raten in Höhe von je 100 Euro überwiesen werden. Kostenpunkt: 4,3 Milliarden Euro. Zugleich werden die rund
1,6 Millionen Alleinerziehende in Deutschland steuerlich bessergestellt. Der sogenannte Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende, der wie ein Steuerfreibetrag wirkt, wird für dieses und nächstes Jahr von
1908 Euro auf 4000 Euro angehoben. Mütter und Väter, die ihren Nachwuchs alleine versorgen, können dadurch netto mehr von ihrem Verdienst behalten. Der Staat lässt sich das eine Dreiviertelmilliarde Euro kosten. Für Erweiterungen, Umbauten oder Neubauten von Kitas und Krippen soll es in diesem und nächsten Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich geben – auch, um die Hygienesituation zu verbessern.
■ Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Um eine Steigerung der Lohnnebenkosten, etwa Kranken- und Arbeitslosenversicherung, zu verhindern, plant die Koalition eine „Sozialgarantie 2021“. Die Sozialversicherungsbeiträge sollen bei maximal 40 Prozent stabilisiert werden, durch milliardenschwere Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Dies soll die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer schützen und Arbeitgebern Verlässlichkeit bringen.
■ Autofahrer
Es wird keine Neuauflage der Abwrackprämie für Diesel und Benziner wie nach der Bankenkrise geben. Stattdessen will der Bund die bereits bestehende Umweltprämie beim Kauf von umweltfreundlicheren Elektro-Autos von 3000 auf 6000 Euro erhöhen. Dies gilt bis zu einem Nettolistenpreis des E-Fahrzeugs bis zu 40.000 Euro. Die Förderung ist bis Ende 2021 befristet. Für die Prämie sind insgesamt 2,2 Milliarden Euro vorgesehen. Damit große Hersteller wie VW und Daimler doch stärker profitieren, plant die Koalition eine Abwrackprämie für Lastwagen. Für den Kauf schwerer Nutzfahrzeuge mit effizienten Motoren soll es bis zu 15.000 Euro geben. Hier muss die EU-Kommission noch zustimmen. Die Förderung sollen auch europäische LkwHersteller bekommen können.
■ Kommunen
Dass der Bund den Städten und Gemeinden dauerhaft einen Großteil der Kosten der Unterkunft (KdU) abnimmt, ist für Länder und Kommunen ein Meilenstein. Die Ausgaben für Miete, Heizung und Warmwasser für Bezieher von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Asylbewerber sind ein großer Kostenblock. Hier trägt der Bund künftig zusätzlich rund vier Milliarden Euro pro Jahr. Dieses Geld können Kommunen nun für andere Sachen nutzen, etwa um Schwimmbäder zu sanieren oder Kitas zu bauen. Da den Kommunen wegen der Krise in diesem Jahr um die zwölf Milliarden Euro an Gewerbesteuern wegbrechen, zahlt der Bund über einen „Solidarpakt“5,9 Milliarden Euro.
„Ich glaube, jeder der Koalitionspartner findet sich in diesem Paket wieder.“Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Chefin