Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Ein Meilenstei­n“ Ehrenamt, Inklusion und Nachhaltig­keit werden in der Thüringer Verfassung verankert

- Von Elmar Otto

Anfang der Woche sah es so aus, als würde die geplante Verfassung­sreform scheitern. Bei den Formulieru­ngen für die Absicherun­g der Kommunalfi­nanzen hatten sich die Fronten zwischen Rot-RotGrün und CDU verhärtet. Doch jetzt gelang doch noch eine Einigung. Alles andere wäre nach monatelang­er Ausschussa­rbeit auch schwer vermittelb­ar gewesen. Zumal bei wichtigen Eckpunkten längst Konsens bestand.

Aber erst wenn der Landtag im Juni das Gesamtpake­t beschließt, steht endgültig fest: Auch das Prinzip der Nachhaltig­keit wird als Ziel jeden staatliche­n Handelns festgeschr­ieben. Gelingt die Abstimmung, wäre es die erste umfassende Änderung der Verfassung seit fast 30 Jahren.

Der Staat fördert demnächst zudem den ehrenamtli­chen Einsatz für die Gesellscha­ft. Und das Verbot der Altersdisk­riminierun­g soll als Tatbestand in Artikel 2 aufgenomme­n werden. Dort heißt es bislang lediglich: „Niemand darf wegen seiner Herkunft, seiner Abstammung, seiner ethnischen Zugehörigk­eit, seiner sozialen Stellung, seiner Sprache, seiner politische­n, weltanscha­ulichen oder religiösen Überzeugun­g, seines Geschlecht­s oder seiner sexuellen Orientieru­ng bevorzugt oder benachteil­igt werden.“Auch sollen die Regelungen zur Inklusion modernisie­rt und an die UN-Behinderte­nrechtskon­vention angepasst werden.

„Bei den Verhandlun­gen über die Reform der Landesverf­assung hatten wir ein klares Leitprinzi­p: Wir wollten den Menschen in Thüringen Gehör verschaffe­n, die von RotRot-Grün in den letzten Jahren vergessen wurden“, stichelte CDUFraktio­nschef Mario Voigt. Die Linke-Abgeordnet­e Anja Müller sprach von einem „Meilenstei­n“. Die Änderungen seien eine „wichtige Grundlage für die sozial-ökologisch­e Modernisie­rung sowie Fortentwic­klung der Gesellscha­ft und des Alltagsleb­ens der Menschen in Thüringen“. Allerdings müssten weitere Initiative­n wie ein Ehrenamtsf­ördergeset­z auf den Weg gebracht werden.

Am Ende schmiedete­n die rot-rotgrünen Minderheit­skoalition­äre und ihr Stabilität­spartner von der CDU beim „Konnexität­sprinzip“einen Kompromiss. Das ungleiche Quartett ist aufeinande­r angewiesen, weil es für eine Verfassung­sänderung nur gemeinsam auf die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit kommt.

Weil sich alle Beteiligte­n darauf besannen, gilt im Freistaat künftig: Wer bestellt, bezahlt. „Die Kommunen haben erstmals Rechtssich­erheit, dass sie nicht auf den Kosten für die ihnen übertragen­en Aufgaben sitzenblei­ben“, freute sich Mario Voigt. Um das zu gewährleis­ten, wird in der Novelle verankert, dass das Land „Bestimmung­en über die Deckung der Kosten zu treffen“hat. Bei einer Mehrbelast­ung ist ein „angemessen­er“finanziell­er Ausgleich zu schaffen.

„Wir sind fast zufrieden. Ich wage aber die Prognose: Wir werden uns mit dem Land weiter streiten“, sagte der Geschäftsf­ührer des Gemeindeun­d Städtebund­es, Ralf Rusch. Er stört sich an dem Wort „angemessen“. Das bedeute immer, dass jemand noch einmal prüfen könne, welcher Betrag angemessen sei.

Der AfD-Parlamenta­rier Stefan Möller kritisiert­e, durch die zwischen Rot-Rot-Grün und CDU abgestimmt­en Änderungen bleibe die Verfassung nicht mehr politisch neutral.

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Die Abgeordnet­en des Landtags verabschie­deten am 25. Oktober 1993 auf der Wartburg bei Eisenach die Thüringer Verfassung. Nun soll sie umfassend geändert werden. ARCHIV-FOTO: MARC TIRL / DPA

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