Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Philosoph, Minister und Menschenfischer: Ist Robert Habeck hart genug für die Todeszone der Politik?
Flensburg.
Sein neuestes Buch fängt Robert Habeck so an, wie es sich für einen Star gehört. Er zitiert noch größere Stars. „It’s hard to listen while you preach“, sang die irische Band U2. Mit dieser Zeile steigt der preisgekrönte Schriftsteller und mögliche kommende Kanzler in sein Werk „Von hier an anders“ein. Dahinter steckt die Botschaft, dass die grünen Weltverbesserer erwachsen geworden sind, reif, das Land nach der verheerenden Corona-Pandemie erfolgreich zu führen. Gilt das auch für Habeck selbst?
Als Jugendlicher las er Camus, den großen französischen Literaten und Popstar seiner Generation: „Ich dachte damals, so willst du auch sein.“Der Sohn eines Apotheker-Paares studiert Philosophie, promoviert über „literarische Ästhetizität“, schreibt und übersetzt gemeinsam mit seiner Frau Andrea Paluch Romane, kauft ein Bauernhaus bei Flensburg, bekommt vier Söhne und steigt Anfang der 2000erJahre bei den Grünen ein.
2012 wird er in Kiel stellvertretener Ministerpräsident und Umweltminister.
Habeck streichelt Robben, Kühe, Pferde. Gegner neuer Stromtrassen umsäuselt er so lange, bis deren Widerstand gebrochen ist. 2017 ist er neben CDU-Ministerpräsident Daniel Günther einer der Väter der ersten Jamaika-Koalition.
Schleswig-Holstein wird für Habeck zu klein. Berlin ruft. 2017 fehlen ihm gegen Cem Özdemir nur 75 Stimmen zur grünen Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl. Ein Jahr später ist es so weit. Zusammen mit Baerbock übernimmt Habeck die Bundespartei.
Nach der Bayern-Wahl springt er ins jubelnde Publikum
Die Medien stürzen sich auf ihn. Dreitagebart, grauer Wuschelkopf: Habeck genießt – und hebt ab. Nach dem starken Grünen-Ergebnis bei der Landtagswahl in Bayern springt er beim Stagediving von der Bühne ins Publikum. Anfang 2019 stellt er ein Video ins Netz, in dem er ankündigt, die Grünen wollten aus Thüringen ein „liberales und demokratisches Land“machen. Hatte Habeck die Wende verschlafen, träumte er noch von Honecker und der SED? Schnell zieht er die
Reißleine, meldet sich bei Twitter und Facebook ab. Die sozialen Medien hätten ihn verführt, sprach der Verführer (der sich bei Instagram weiter ausgiebig zeigt).
Seitdem kann man beobachten, dass Habeck fokussierter spricht und auftritt. Fehler unterlaufen ihm dennoch. Im Fernsehen stottert er, als er nach dem Wirecard-Skandal erklären soll, was die Finanzaufsicht Bafin eigentlich macht. Er hat er sich viel angelesen. Schwarze Null, Schuldenbremse, Investitionsquote des Bundes – das sitzt mittlerweile. Respekt hat er vor der „Todeszone der Politik“, aber keine Angst vor einer Merkel-Nachfolge. „Ja, diese Prüfung würde ich für mich bestehen“, sagt er im Oktober. Habeck hat jene Regierungserfahrung, die Baerbock abgeht.
Fast schon ein Wunder ist, wie gut Habeck und Baerbock nach drei Jahren unverändert harmonieren. Das Duo teilt sich ein Büro, ihre Mitarbeiter arbeiten Hand in Hand, alles wird per SMS und WhatsApp geteilt. Das soll auch nach der Auflösung der K-Frage am Montag in einer früheren Malzfabrik in Berlin so bleiben.