Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Die diesjährige kulinarische Frühjahrskollektion überrascht mit asiatischen Einflüssen und Kombinationen jenseits des Üblichen. Im Spotlight: Rhabarber, die wandelbare rosa Schönheit aus dem Orient
Ich erfinde mich gerne neu. Das ist Teil meines Jobs,“sagte einst Modegott Karl Lagerfeld. Wir tun gut daran, dem exzentrischen Designer mal in der Küche nachzueifern. Denn auch am heimischen Herd ist neben Dahergebrachtem immer Platz für neue Ideen und, um vermeintlich gewohnte Dinge in überraschende Kleider zu hüllen. Als Muse beflügelt uns hier und heute ein langes, leicht blasses Model, der Rhabarber.
„Blechkuchen? Grütze? Gehen immer. Und ich liebe die Klassiker. Sie sind zeitlos wie ein Chanel-Jäckchen. Aber gib mir was mit Würze! Los, überrasch mich!“Könnten wir heute mit Karl am Herd stehen, würde unsere Unterhaltung wohl so oder ähnlich klingen. Also: Denken wir alles neu!
Wie ein Supermodel passt sich die schlanke Stange unseren Kreationen an und wird eins mit ihnen. Nur das Hauptsächliche ihres Wesens,
die feine Säure, tritt noch in den Vordergrund. Die säuerliche Note verdankt der Rhabarber übrigens den in ihm enthaltenen Zitronen-, Apfel- und Oxalsäuren. Und genau wegen dieser Säure lässt sich Rhabarber, wenn nur leicht gesüßt, auch vortrefflich mit Herzhaftem kombinieren.
Das einst in China beheimatete rosa Gemüse ist mittlerweile in hiesigen Gärten so allgegenwärtig wie eine Vuitton-Tasche auf der Kö. Erstmals in Europa Wurzeln schlagen konnte Rhabarber in England. Im 18. Jahrhundert wurde er dort kommerziell angebaut, danach entdeckten auch die Festländer den sauren Kick. Etabliert haben sich hierzulande die rosa- bis rotfleischigen Sorten wie der sogenannte Himbeer-Rhabarber oder die Sorte Holsteiner Blut. Sie sind in großen Mengen ab Anfang April bis in den Juni hinein auf den Märkten zu finden. In England, und vermehrt auch in Holland, wird traditionell der sogenannte Treibrhabarber angebaut.
Dieser präsentiert sich schon ab Mitte Januar dem gewillten Käufer und hat eine sehr blasse Farbe, hervorgerufen durch die Aufzucht in dunklen Gewächshäusern, den „forcing sheds.“Dieser Rhabarber – auch bei uns angeboten – hat eine sehr leichte Säure und einen feinen dezenten Geschmack. Der früher im heimischen Anbau übliche grüne Rhabarber hingegen spielt eine immer kleinere Rolle.
Die bereits erwähnte asiatische Herkunft diente uns bei diesem Rezept als Inspiration für ein würziges Hauptgericht. Dafür paaren wir die klein geschnittenen Stangen zunächst mit einer gehörigen Portion Ingwer. Das Chutney servieren wir zu asiatisch gewürztem Schwein, leicht klebrig und etwas süß.
Leider ist die Zeit für Rhabarber kurz, schon Ende Juni wird er von der kulinarischen Sommerkollektion aus den Marktständen verdrängt. Kurzlebig und zickig: So ist die Mode! Sagte schon der Lagerfeld.
Pro Portion: ca. 450 kcal, 11 g Fett, 28 g Kohlenhydrate, 55 g Eiweiß