Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Wer Mehr-Generationen-Urlaub unter Pandemiebedingungen plant, muss von der Impfung bis zur Stornierungsoption vieles beachten
Opa winkt, Oma schickt einen Handkuss, dann ist der Bildschirm wieder schwarz. Videotelefonate sind kein echter Ersatz fürs gemeinsame Toben und Kuscheln. Und nach einem Jahr Pandemie und mit der beginnenden Impfkampagne mag sich in vielen Familien ein hoffnungsvoller Gedanke regen: Im Sommer könnte ein vergleichsweise unbeschwerter Urlaub wieder möglich sein, am Meer, in den Bergen, eigentlich egal – Hauptsache Oma und Opa kommen mit?
In jedem Fall sollten die Großeltern gegen das Coronavirus geimpft sein, sagt Jürgen Bauer, Professor für Geriatrie und Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien Krankenhauses Heidelberg. „Kein Risikofaktor toppt das Alter. Für Ältere, die nicht geimpft sind, ist das Risiko bei einem gemeinsamen Urlaub also viel zu hoch“, betont der Altersmediziner.
Um die Gefahr einer schweren Erkrankung der Großeltern zu minimieren, sollte man den Mehr-Generationen-Urlaub gut planen. „Eine gute Strategie für die Sommermonate
ist es, auch im Urlaub die Kontakte zu kontrollieren und sich abzugrenzen“, sagt der Geriater. Während sich in großen Hotels unter Umständen Menschen aus aller Welt mischen, ist man in einer Ferienwohnung unter sich. Das hat noch einen Vorteil: Wenn aus unüberwindbarer Distanz plötzlich Dauernähe wird, ist es gut, ausreichend Platz zu haben.
„Wir wissen aus vielen umweltpsychologischen Studien, dass zu enge Verhältnisse häufig unnötig zu Konflikten führen“, sagt Hans-Werner Wahl, wie Bauer einer der Direktoren des Netzwerks Alternsforschung der Universität Heidelberg. „Man sollte jedem seinen Raum geben und gucken, dass die Rahmenbedingungen viel Autonomie und Flexibilität erlauben“, sagt Wahl.
Wann das Hotel doch die bessere Unterkunft ist
Doch nicht jeder will nach Corona unbedingt ins Ferienhaus. Hier muss man die gesamte Kleinkindausstattung einpacken. Und nach monatelanger Selbstversorgung freuen sich viele wohl darauf, mal wieder in einem Restaurant bedient zu werden oder im Wellnessbereich zu entspannen. Dann bietet sich eher ein Hotel mit großem Familienzimmer an. „Hier kann man vor der Buchung fragen, welche Hygienemaßnahmen es gibt und ob diese den eigenen Erwartungen entsprechen“, sagt Ekaterina Arlt-Kalthoff vom Online-Reisemagazin Kidsaway.
„Und auf Fotos im Internet kann man sehen, wie weitläufig die Hotelanlage ist, wie viel Platz es gibt, um anderen Gästen aus dem Weg zu gehen.“
Das Hygienekonzept der mehr als 60 auf Familienurlaub spezialisierten Familotels beispielsweise reicht von der Kontaktreduzierung beim Check-in über verlängerte Essenszeiten bis hin zu festen Zeitslots für den Besuch von Schwimmbädern und Wellnessbereichen. Manche Angebote werden aus Sicherheitsgründen auch ganz gestrichen. „Bei großen Indoor-Spielmöglichkeiten für Kinder wird es eng mit dem Hygienekonzept. Ein Bällebad zum Beispiel kann man nicht dreimal am Tag aufwändig desinfizieren“, sagt der Vorsitzende der Familotel AG, Sebastian Ott. „Für uns ist outdoor aber ohnehin ein großes Thema, unsere Hotels liegen alle im Grünen.“
Aktivurlaub im Grünen ist in Zeiten der Pandemie ohnehin der optimal Weg, Menschenmengen zu meiden. „Um den Austausch untereinander zu fördern, würde ich Urlaub in der Natur empfehlen, wo es nicht so viele Anregungen von außen gibt, sondern man eher aufgefordert ist, gemeinsam zu überlegen und zu gestalten“, sagt Psychologe Wahl. Ob Schnitzeljagden, Fahrradtouren und Bootsausflüge, Stockbrot und Geschichten am Lagerfeuer oder alte Spiele, die Oma und Opa noch aus ihren Kindertagen kennen – je mehr Zeit die Familie
an der frischen Luft verbringt, desto besser.
„Auf jeden Fall sollte man auf kostenfreie Stornierungen achten und früh buchen“, rät Ekaterina ArltKalthoff von Kidsaway. Bei den Familotels werden aktuell vor allem Nord- und Ostsee, der bayerische Wald, Südtirol, Allgäu und Österreich für den Sommer gebucht. „Wir sind zwar bei weitem nicht bei dem Buchungsstand, mit dem wir unseren normalen Umsatz erreichen. Aber unsere Erfahrung aus dem letzten Jahr ist: An dem Tag, an dem wir aufmachen dürfen, werden wir relativ schnell ausgebucht sein“, sagt Chef Sebastian Ott.
Wenn der Sommerurlaub dann endlich in greifbare Nähe rückt, bleibt viel Zeit, um die gemeinsamen Aktivitäten zu planen. Mindestens sieben Tage vor Abreise sollten Eltern und Kinder ihre Kontakte reduzieren, um die Großeltern nicht unnötig zu gefährden.„Vor allem, wenn die Kinder und Eltern noch nicht geimpft sind, hat man mit der Kombination aus einer verantwortungsvollen Kontaktplanung im Vorfeld plus einem anschließenden Schnelltest noch einmal zusätzliche Sicherheit“, sagt Altersmediziner Jürgen Bauer.