Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Mehr Platz, weniger Plätze
Wie Weimar die große DNT-Sanierung plant: „167 Millionen sind nicht die Bausumme!“
Weimar.
Theater lebt von der Vorstellungskraft. Doch die kann einem schonmal abhandenkommen, wenn‘s ums Geld geht. Dem Deutschen Nationaltheater Weimar stellen Bund und Land 167 Millionen Euro für eine Generalsanierung zur Verfügung. Durch den Haushaltsausschuss des Bundestages kam dieser einigermaßen unerwartete Geldregen 2019 über das staatliche Theater im städtischen Gebäude. Materialisieren will man diesen wohl ab 2024 oder Anfang
2025. Ende 2028, Anfang 2029 könnte das Werk vollbracht sein.
167 Millionen Euro – das klingt nach unvorstellbar viel. So viel wie sechs neue Bauhaus-Museen etwa. Andere Vergleiche: Das Landestheater Altenburg wird für inzwischen über 14 Millionen Euro saniert, drei mehr als geplant. Ebenso viel sind es mittlerweile in Rudolstadt, 24 Millionen in Nordhausen.
Mehr Fläche: Das Theatergebäude soll „erträglich“aufgestockt werden Es geht aber auch sehr viel größer: im Nationaltheater Mannheim etwa um nunmehr 247 statt 200 Millionen Euro, gestiegener Baupreise wegen. Fürs Staatstheater Karlsruhe plant man inzwischen mit 700 Millionen, für die Staatsoper Stuttgart und Frankfurts Städtische Bühnen mit je einer Milliarde.
In solche Dimensionen gerate, wer zu lange berate, sagt Weimars Generalintendant Hasko Weber, der die Generalsanierung des DNT seit Anbeginn für „zwingend notwendig“hält, um ähnliches zu vermeiden. Schon vor Amtsantritt wies er, 2012, im Aufsichtsrat erstmals darauf hin; seitdem immer wieder. Die Haushalte von Land und Stadt ließen aber nur wenig zu. Wiederholt fragte Weber beim Bundestag nach. Das Jubiläum 100 Jahre Weimarer Nationalversammlung habe dem dann „einen Schub gegeben“.
Dass da etwas gemacht werden muss, wusste auch die Stadt stets, bestätigt OB Peter Kleine in einer Telefonschalte mit Weber und unserer Zeitung. „Das Problem war nur, dass sich niemand getraut hatte, solche großen Gedanken überhaupt mal aufs Papier zu bringen. Das fällt uns jetzt ein bisschen auf die Füße.“
Denn es gab demnach nie eine konkrete Kostenschätzung und schon gar kein Konzept.
Seit eine konkrete Summe im Raum steht, die es laut Weber „optimal zu nutzen gilt“, denken Stadt und Theater umso mehr und intensiver nach. Beteiligt sind Stuttgarter Projektsteuerer vom Büro Drees & Sommer sowie der Hamburger Architekt Jörg Friedrich, der für seine Geburtsstadt Erfurt den Theaterneubau entwarf. Er arbeitet, seiner Homepage zufolge „als Generalplaner“, an zwei Machbarkeitsstudien: an Varianten für die Generalsanierung sowie für Interimsstandorte in der Bauphase (Redoute und EWerk). Aus der Verbindung ergibt sich Weimars Förderantrag beim Bund, dem der Stadtrat noch vor diesem Sommer zustimmen muss.
Auf dem Weg dorthin „stoßen viele Ideen und Wünsche aufeinander“, wie der OB zu Jahresbeginn unserer Lokalausgabe erklärte. Ständig sind Kompromisse zu finden. Einen gibt es schon: „167 Millionen sind nicht die Bausumme!“, sagt Hasko Weber. Ein Puffer für Preissteigerungen, Bauzeitverlängerungen, Inflation wird eingeplant. „Wir wollen nicht, dass da am
Ende 500 Millionen stehen, sondern 167“, sagt Kleine. Die Bausumme benennen beide nicht. Andernorts hört man von 90 Millionen.
Zudem bekannte man sich in einer Jury, so der OB, dazu, „das Haupthaus ein Stück so aufstocken, dass es architektonisch und städtebaulich erträglich bleibt“. Vom Bühnenturm und dem hinteren Verwaltungsanbau ist die Rede. Es gibt demnach zusätzlichen Flächenbedarf: für das Ziel, so Weber, „dass Angebote fürs Publikum möglichst zentral beieinander liegen“. Eine neue Spielstätte „für kleinere oder mittelgroße Produktionen im großen Haus“schwebt dem Intendanten etwa vor, was nach der Sanierung den Abschied vom seit 2000 bespielten E-Werk bedeutete.
Zuschauerraum könnte sich stark verändern – oder so gut wie nicht Verändern sollen sich im Haus auch die Empfangssituation oder die Verteilung der Gastronomie. Maßgeblich für ein modernes Theater sind Energieeffizienz, mehr Barrierefreiheit (mittels neuem Fahrstuhl) und die veränderte Arbeitsstättenverordnung. Einiges spielte schon bei der geplanten Sanierung der Zuschauerbereiche
für fünf Millionen Euro eine Rolle, die mit EU-Förderung derzeit in Gang wäre. Das Know-how dieser Pläne sei jetzt hilfreich, so Weber, werde aber nicht eins zu eins übernommen, „weil wir jetzt ja viel komplexer herangehen können“.
Doch bleibt es wohl beim „Richtwert“von künftig 750 statt 850 Plätzen im großen Haus: für mehr Besucherkomfort, Licht-, Ton- und Videostationen im Saal sowie eine verbesserte Akustik. Der Zuschauerraum, Erbe der Sanierung in den 1970ern, könnte sich verändern. Die Denkmalbehörde sei zumindest gesprächsbereit.
„Wir müssen ja auch mal ein bisschen rumspinnen können“, so der Intendant. Wie gesagt, Theater lebt von Vorstellungskraft. Doch gerade beim Zuschauerraum ist man laut Weber „total am Anfang“. Vieles lasse sich erst nach einem Architekturwettbewerb 2022 diskutieren.
„Ich stehe voll dazu! Mich interessiert das“, sagt Hasko Weber über die Generalsanierung des Hauses, das er womöglich gar nicht mehr führt, wenn sie abgeschlossen ist. Derzeit steht seine zweite Vertragsverlängerung: 2023 bis 2028.