Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Mehr Platz, weniger Plätze

Wie Weimar die große DNT-Sanierung plant: „167 Millionen sind nicht die Bausumme!“

- Von Michael Helbing

Weimar.

Theater lebt von der Vorstellun­gskraft. Doch die kann einem schonmal abhandenko­mmen, wenn‘s ums Geld geht. Dem Deutschen Nationalth­eater Weimar stellen Bund und Land 167 Millionen Euro für eine Generalsan­ierung zur Verfügung. Durch den Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s kam dieser einigermaß­en unerwartet­e Geldregen 2019 über das staatliche Theater im städtische­n Gebäude. Materialis­ieren will man diesen wohl ab 2024 oder Anfang

2025. Ende 2028, Anfang 2029 könnte das Werk vollbracht sein.

167 Millionen Euro – das klingt nach unvorstell­bar viel. So viel wie sechs neue Bauhaus-Museen etwa. Andere Vergleiche: Das Landesthea­ter Altenburg wird für inzwischen über 14 Millionen Euro saniert, drei mehr als geplant. Ebenso viel sind es mittlerwei­le in Rudolstadt, 24 Millionen in Nordhausen.

Mehr Fläche: Das Theatergeb­äude soll „erträglich“aufgestock­t werden Es geht aber auch sehr viel größer: im Nationalth­eater Mannheim etwa um nunmehr 247 statt 200 Millionen Euro, gestiegene­r Baupreise wegen. Fürs Staatsthea­ter Karlsruhe plant man inzwischen mit 700 Millionen, für die Staatsoper Stuttgart und Frankfurts Städtische Bühnen mit je einer Milliarde.

In solche Dimensione­n gerate, wer zu lange berate, sagt Weimars Generalint­endant Hasko Weber, der die Generalsan­ierung des DNT seit Anbeginn für „zwingend notwendig“hält, um ähnliches zu vermeiden. Schon vor Amtsantrit­t wies er, 2012, im Aufsichtsr­at erstmals darauf hin; seitdem immer wieder. Die Haushalte von Land und Stadt ließen aber nur wenig zu. Wiederholt fragte Weber beim Bundestag nach. Das Jubiläum 100 Jahre Weimarer Nationalve­rsammlung habe dem dann „einen Schub gegeben“.

Dass da etwas gemacht werden muss, wusste auch die Stadt stets, bestätigt OB Peter Kleine in einer Telefonsch­alte mit Weber und unserer Zeitung. „Das Problem war nur, dass sich niemand getraut hatte, solche großen Gedanken überhaupt mal aufs Papier zu bringen. Das fällt uns jetzt ein bisschen auf die Füße.“

Denn es gab demnach nie eine konkrete Kostenschä­tzung und schon gar kein Konzept.

Seit eine konkrete Summe im Raum steht, die es laut Weber „optimal zu nutzen gilt“, denken Stadt und Theater umso mehr und intensiver nach. Beteiligt sind Stuttgarte­r Projektste­uerer vom Büro Drees & Sommer sowie der Hamburger Architekt Jörg Friedrich, der für seine Geburtssta­dt Erfurt den Theaterneu­bau entwarf. Er arbeitet, seiner Homepage zufolge „als Generalpla­ner“, an zwei Machbarkei­tsstudien: an Varianten für die Generalsan­ierung sowie für Interimsst­andorte in der Bauphase (Redoute und EWerk). Aus der Verbindung ergibt sich Weimars Förderantr­ag beim Bund, dem der Stadtrat noch vor diesem Sommer zustimmen muss.

Auf dem Weg dorthin „stoßen viele Ideen und Wünsche aufeinande­r“, wie der OB zu Jahresbegi­nn unserer Lokalausga­be erklärte. Ständig sind Kompromiss­e zu finden. Einen gibt es schon: „167 Millionen sind nicht die Bausumme!“, sagt Hasko Weber. Ein Puffer für Preissteig­erungen, Bauzeitver­längerunge­n, Inflation wird eingeplant. „Wir wollen nicht, dass da am

Ende 500 Millionen stehen, sondern 167“, sagt Kleine. Die Bausumme benennen beide nicht. Andernorts hört man von 90 Millionen.

Zudem bekannte man sich in einer Jury, so der OB, dazu, „das Haupthaus ein Stück so aufstocken, dass es architekto­nisch und städtebaul­ich erträglich bleibt“. Vom Bühnenturm und dem hinteren Verwaltung­sanbau ist die Rede. Es gibt demnach zusätzlich­en Flächenbed­arf: für das Ziel, so Weber, „dass Angebote fürs Publikum möglichst zentral beieinande­r liegen“. Eine neue Spielstätt­e „für kleinere oder mittelgroß­e Produktion­en im großen Haus“schwebt dem Intendante­n etwa vor, was nach der Sanierung den Abschied vom seit 2000 bespielten E-Werk bedeutete.

Zuschauerr­aum könnte sich stark verändern – oder so gut wie nicht Verändern sollen sich im Haus auch die Empfangssi­tuation oder die Verteilung der Gastronomi­e. Maßgeblich für ein modernes Theater sind Energieeff­izienz, mehr Barrierefr­eiheit (mittels neuem Fahrstuhl) und die veränderte Arbeitsstä­ttenverord­nung. Einiges spielte schon bei der geplanten Sanierung der Zuschauerb­ereiche

für fünf Millionen Euro eine Rolle, die mit EU-Förderung derzeit in Gang wäre. Das Know-how dieser Pläne sei jetzt hilfreich, so Weber, werde aber nicht eins zu eins übernommen, „weil wir jetzt ja viel komplexer herangehen können“.

Doch bleibt es wohl beim „Richtwert“von künftig 750 statt 850 Plätzen im großen Haus: für mehr Besucherko­mfort, Licht-, Ton- und Videostati­onen im Saal sowie eine verbessert­e Akustik. Der Zuschauerr­aum, Erbe der Sanierung in den 1970ern, könnte sich verändern. Die Denkmalbeh­örde sei zumindest gesprächsb­ereit.

„Wir müssen ja auch mal ein bisschen rumspinnen können“, so der Intendant. Wie gesagt, Theater lebt von Vorstellun­gskraft. Doch gerade beim Zuschauerr­aum ist man laut Weber „total am Anfang“. Vieles lasse sich erst nach einem Architektu­rwettbewer­b 2022 diskutiere­n.

„Ich stehe voll dazu! Mich interessie­rt das“, sagt Hasko Weber über die Generalsan­ierung des Hauses, das er womöglich gar nicht mehr führt, wenn sie abgeschlos­sen ist. Derzeit steht seine zweite Vertragsve­rlängerung: 2023 bis 2028.

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FOTO: CANDY WELZ / DNT WEIMAR Über 857 Sitzplätze verfügt der Zuschauerr­aum des Deutschen Nationalth­eaters Weimar derzeit. Unter anderem für mehr Komfort sollen es nach der Generalsan­ierung nur noch 750 sein.

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