Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Ein einzigartiges Experiment Anton Palzer war Bergläufer und Skibergsteiger. Seit dieser Woche ist der 28-Jährige mit den beeindruckenden Ausdauerwerten Radprofi
Innsbruck.
Seine im Trainingslager auf Gran Canaria mühsam erkämpfte Radfahrer-Bräune ist Anton Palzer schon wieder los. „Leider. Ich hoffe, dass das bald wiederkommt. Dann sehe ich wenigstens aus wie ein Radfahrer“, sagt der 28Jährige und kann sich dabei ein herzliches Lachen nicht verkneifen. Was er als Radprofi drauf hat, kann der Bayer in dieser Woche bei der Tour of the Alps in den Bergen Österreichs und Italiens neben Stars wie Chris Froome und Nairo Quintana zeigen. Auf der ersten Etappe kam Palzer als 93. mit 25 Sekunden Rückstand auf das Hauptfeld ins Ziel. Das Teilstück nach Innsbruck war zugleich der Beginn eines einzigartigen Experiments.
Palzer ist eigentlich Skibergsteiger – und in dieser Nische sehr erfolgreich unterwegs. Vizeweltmeister war er, Weltcup-Sieger, hat viele Sponsoren gewonnen und sich ein gutes Leben aufgebaut. All das investiert der 1,78 m große und 62 Kilogramm leichte Palzer nun in seinen Lebenstraum Berufsradfahrer. So nennt er sich seit 1. April stolz.
Körperlich bringt Palzer vieles mit. Bei der maximalen Sauerstoffaufnahme, so etwas wie das Premium-Siegel der Leistungsfähigkeit im Ausdauersport, bringt er es auf Skiern auf den enormen Wert von 92. Auf dem Rad soll Palzer es in ähnliche Regionen schaffen, die einst nur Tour-Legenden wie Greg LeMond erreicht haben. „Wir sind zu Leistungsdaten gekommen, die beeindruckend waren“, sagt Ralph Denk. Der 47-Jährige ist Chef des Top-Teams Bora-Hansgrohe und hat Palzer einen Vertrag gegeben.
Dazu bedurfte es allerdings etwas Anlauf. Denk sah 2017 einen ARDBericht über Palzers Sieg bei einem Skibergsteiger-Weltcup in China. Über Instagram lud ihn der Teamchef zu einem Trainingslager ein – doch Palzer bemerkte die Nachricht nicht. Erst als sich kurz darauf die Wege von Palzer und Bora-Profi Lukas Pöstlberger kreuzten und daraus eine Freundschaft entstand, fanden Denk und der Extremsportler doch noch zusammen.
Man einigte sich auf einen Zweijahresvertrag. Palzers Lehrzeit begann nun bei der anspruchsvollen Rundfahrt. Ohne Druck. „An erster Stelle soll ich lernen“, sagt er. „Ich will schauen, wie mein Status ist. Wie gut bin ich am Berg? Kann ich mit den Kletterern mitfahren?“
Um für seine Premiere im Peloton bestmöglich gerüstet zu sein, hat Palzer im Januar im Bora-Trainingslager am Gardasee einige SpezialLektionen bekommen. „Da wurde ich auch mal absichtlich eingekesselt, um ein Gefühl zu bekommen“, berichtet der Mann aus dem Berchtesgadener Land. Dass er nun mit Fahrern wie Froome, Quintana, Pinot oder Bardet an der Startlinie steht, lässt ihn nicht unruhig schlafen. „Im Endeffekt verfolgen sie alle ihren Lebenstraum, was ich ja nun auch mache“, betont Palzer. Aber es sei ihm eine Ehre, mit ihnen zusammen in einem Rennen zu sein.
Wie es weitergeht, ist offen. Man will sich bei Bora in Ruhe zusammensetzen und die Lage analysieren. Möglich ist mit Palzers Voraussetzungen eine Menge, aber ähnlich herausragende Werte hatten bereits andere, bei denen es nicht funktioniert hat. Denk bremst auch deshalb ein wenig die Erwartungshaltung: „Die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass es nicht funktioniert als dass es funktioniert.“Funktioniert es, wäre es viel mehr als ein gelungenes Experiment. Es wäre eine wunderbare Geschichte.