Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Lokführer streiken fast eine Woche Gewerkschaft GDL ruft ab Donnerstag zum Streik im Personenverkehr auf. Deutsche Bahn will weiter verhandeln
Mit dem Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist nicht zu spaßen. Wenn es um Lohnerhöhungen, die Absicherung der Betriebsrenten und bessere Arbeitsbedingungen von Tausenden Mitarbeitern geht, setzt Claus Weselsky aufs Ganze. Nach bereits zwei Arbeitskämpfen hat der GDLVorstand die Beschäftigten am Montag zum dritten Streik in der diesjährigen Tarifrunde aufgerufen – mit sechs Tagen dem bisher längsten für die Bahnkunden.
Ab Mittwoch, den 1. September ab 17 Uhr, soll zunächst der Güterverkehr bestreikt werden. Wenige Stunden später am Donnerstag, 2. September, um 2 Uhr folgt dann der Personenverkehr, die Infrastruktur und Fahrzeuginstandhaltung. Fast eine Woche lang soll der Eisenbahnverkehr der Deutschen Bahn (DB) damit durch Streiks lahmgelegt werden – bis zum 7. September um 2 Uhr morgens.
Bahn-Vorstand nennt Arbeitskampf völlig überzogen
„Es ist eine der längsten Arbeitskampfmaßnahmen, die wir durchführen, und zwar absichtlich“, unterstrich Weselsky selbstbewusst seinen Plan. „Wir sehen uns angesichts der Blockadehaltung der DBManager nicht bereit und gewillt, hier kürzere Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen.“Der Konflikt könne nur durch die Vorlage eines verhandelbaren Angebots gelöst werden, ist er überzeugt. Unbefristete Streiks stünden aktuell allerdings nicht zur Debatte.
Scharf geht Weselsky mit der Bahn-Vorstandsetage ins Gericht. Seit dem Scheitern der Tarifverhandlungen am 7. Juni hätten die Manager kein verbessertes Angebot vorgelegt. Der Vorstand müsse begreifen, „dass man einen Krieg mit den Mitarbeitern nicht gewinnen“könne, formuliert der GDL-Chef martialisch. Die Eisenbahner hätten Anerkennung und Wertschätzung verdient. „Sie werden nicht aufhören dies einzufordern, bis man ihnen das zugesteht.“Sowohl die Mitarbeiter als auch der Dachverband dbb mit seinen Gewerkschaften stünde hinter den Aktionen.
Die GDL setzt sich für eine höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen
für die Beschäftigten ein. Gleichzeitig will sie sich auch gegen die größere Gewerkschaft EVG profilieren, die sich mit der DB bereits auf einen Tarifvertrag geeinigt hatte. Der Personalvorstand der Bahn kritisiert die angekündigten Streiks als „völlig überzogen“. Der Arbeitskampf sei „durch nichts zu rechtfertigen“, sagte Martin Seiler. Die Bahn habe der GDL zwei neue, verbesserte Angebote vorgelegt, die von der Gewerkschaft „einfach ignoriert“würden. Die GDL spricht unterdessen von „Scheinangeboten“der Bahn.
Das aktuelle Angebot der DB beinhaltet laut Vorstand Seiler 3,2 Prozent Lohnerhöhungen in zwei Schritten, wie dies auch von der GDL gefordert worden sei. Die Löhne sollen zum 1. Januar 2022 um 1,5 Prozent und zum 1. März 2023 um 1,7 Prozent steigen. Zusätzlich habe die Bahn eine CoronaPrämie in Aussicht gestellt. Allerdings wurde hierzu noch kein Betrag genannt. Die GDL fordert konkret 600 Euro pro Mitarbeiter.
Aus Sicht der Bahn könnte am Verhandlungstisch bald ein Abschluss erzielt werden. „Wir sind lediglich bei den Laufzeiten auseinander.“Allerdings lasse sich die Bahn auch keinen Tarifvertrag diktieren – dieser werde am Verhandlungstisch erzielt. „Wenn die GDL wirklich eine Lösung will, dann muss sie endlich an den Tisch kommen“, so Seiler. Der GDL-Chef sieht in den Angeboten jedoch keine Verbesserung.
So prallen die Interessensvertreter immer wieder frontal aufeinander – ohne Entgegenkommen. Bahn-Vorstand Seiler wirft der Gewerkschaft vor, dass sie die „Kunden zu Opfern“mache. Weselsky sieht wiederum die Schuld beim Vorstand der Deutschen Bahn, der sich nicht bewege: „Dieses Aussitzen wird die Steuerzahler erneut Millionen kosten.“
Der neuerliche Arbeitskampf erfordert vor allem von den Hunderttausenden Pendlern und Reisenden wieder starke Nerven, viel Geduld und manche Flexibilität. Wie bei den vorangegangenen Streiks will die Deutsche Bahn einen sogenannten Ersatzfahrplan für den Fernverkehr aufstellen, der ab Dienstagmorgen um 7 Uhr auf der Internetseite der Bahn und in deren App eingestellt werden soll.
Der Staatskonzern geht davon aus, dass während des Streiks etwa ein Viertel aller Züge des normalen Fahrplans unterwegs sein werden. Im Regionalverkehr und bei den SBahnen sollen wie auch bei den vergangenen Streikwellen etwa 40 Prozent der Züge verkehren. Dieser Betrieb wird vor allem durch beamtete Mitarbeiter aufrechterhalten, die nicht streiken dürfen.
Aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn überzieht die Gewerkschaft mit ihrem angekündigten sechstägigen Streik etwas: „Es gibt gewisse Rechte im Grundgesetz, aber ich muss damit auch sehr behutsam umgehen“, sagte der Ehrenvorsitzende des Vereins, Karl-Peter Naumann. „Das ist, glaube ich, nicht mehr der Fall.“