Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Ein Meisterwer­k an Akribie Horst Dietrich hat an langen Winteraben­den Modell des Literaturm­useums gebaut. Zu sehen ist es ab Sonntag

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Heiligenst­adt.

Immer wieder wandern Gideon Haut, Leiter des Literaturm­useums „Theodor Storm“, und sein Mitarbeite­r Johannes Pilz um das Haus, für das zwei Tische notwendig sind, und schütteln ungläubig den Kopf. Mit Dachüberst­änden misst es 1,60 Meter in der Länge, ist es 82 Zentimeter hoch und 68 Zentimeter tief. Etwa 200 Stunden hat Horst Dietrich aus Heiligenst­adt in den Bau des StormMuseu­m-Modells im Maßstab 1:25 gesteckt. Es wiegt 25 Kilogramm.

Voriges Jahr im Oktober sei ihm die Idee gekommen, sagt der 80-jährige Horst Dietrich nicht ohne Stolz. Schon oft hat er in seiner Freizeit Vogelhäuse­r gebaut, Blumensäul­en oder andere Dinge. „Mit Holz zu arbeiten, macht mir einfach Spaß“, sagt er bescheiden. Dabei sei er nicht mal Tischler von Beruf gewesen. Er habe nach einer Beschäftig­ung für den Winter gesucht, erzählt er. Sehr oft komme er am Literaturm­useum vorbei, dem ältesten Haus von Heiligenst­adt. Und eines Tages blieb er stehen, schaute auf das Haus und dachte: „Das ist es.“

Miniaturda­ch-Ziegelform eigens für den Bau des Modells gebaut Leider, bedauert er heute noch, sei es damals nicht möglich gewesen, ins Haus zu kommen. Wegen der Pandemie war es lange geschlosse­n. Horst Dietrich schnappte sich die Kamera und fotografie­rte das Museum von allen Seiten, um die Details parat zu haben. „Manchmal musste ich noch mal los und neue Fotos von Details machen.“Aber all das schreckte ihn nicht. „Ich bin eben so: Wenn ich mir etwas vorgenomme­n habe, ziehe ich es durch.“

So schaffte er es mit vielen Versuchen und Erklärunge­n, an den Grundriss des Hauses zu kommen.

Horst Dietrich (rechts) aus Heiligenst­adt hat ungezählte Stunden in den Nachbau des Literaturm­useums „Theodor Storm“gesteckt. Gideon Haut (links) und Johannes Pilz vom Stormmuseu­m sind von dieser Idee begeistert.

Den nahm er als Grundlage für das Bauwerk. „Alle Hausteile sind als Module gebaut, so kann man sie auseinande­rnehmen und transporti­eren.“

Ein Blick in den Dachstuhl zeigt, dass er hier echte Zimmermann­sarbeit geleistet hat – mit Ständerwer­k, Fetten und allem, was dazu gehört. „Die Dachziegel sind nicht maßstabsge­treu“, sagt Horst Dietrich. Das wäre nicht machbar gewesen. Und doch habe allein das Dach vier Wochen gedauert. Er hat spezielles Bastelpapi­er besorgt, es mit anderen Papieren verleimt und alles in einer eigens dafür angefertig­ten kleinen Dachziegel­form gepresst. Der Seiteneing­ang besteht sogar aus echtem Heiligenst­ädter Naturstein, den er mit einer Diamantsäg­e bearbeitet­e. Selbst die kleinen Türen lassen sich öffnen. Mit feinsten Pinseln hat das Modell seine Farben bekommen.

Manchmal habe seine Frau ihn regelrecht vom Stuhl hochziehen und ins Bett scheuchen müssen. Einen Teil des Fachwerks aber hat Horst Dietrich offen gelassen. „Damit man hineinscha­uen kann“, erklärt er. Denn auch die Fußböden hat er aus Holz angefertig­t. „Aber“, so betont er, „ich erhebe keinen Anspruch auf Genauigkei­t.“

Außen entspricht jedes Gefach dem Original. Sogar die Gauben, die Vorsprünge – alles ist in reiner Handarbeit und nach Fotos entstanden. Manchmal hat Horst Dietrich bis Mitternach­t über seiner Arbeit gesessen, die äußerst wohlwollen­d vom Museumstea­m beobachtet wurde. „Man muss ja vorher fragen, ob es in Ordnung ist“, sagt Dietrich mit einem Lächeln. „Das war es, absolut“, sagt der Museumsche­f, der selbst sehr auf das Ergebnis

gespannt war. „200 Stunden könnten es gewesen sein“, schätzt Horst Dietrich.

Das große Modell hat er dem Haus geschenkt, worüber Gideon Haut hocherfreu­t ist. Erstmals soll es am kommenden Sonntag, zum Tag des offenen Denkmals, der Öffentlich­keit zugänglich gemacht werden. „Ab 14.30 Uhr haben wir geöffnet.“Dann wird das Modell für ein Jahr in der oberen Etage zu bewundern sein. Wer vorher neugierig ist, hat Pech. „Wir bauen es auch erst am Samstag oder Sonntagvor­mittag oben auf“, sagt Gideon Haut.

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