Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Ordensmann berichtet: „Die Flut ist in meinem Kopf“Musikalisc­he Andacht mit Pater Georg Herr und Michael Taxer. Spende für die Flutopfer

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Heiligenst­adt.

Irgendwie hat es die junge Frau geschafft, sich aus ihrer Erdgeschos­s-Wohnung in die erste Etage des Mietshause­s zu retten. Als sie später, nachdem die Wassermass­en endlich weg sind, ihr Heim wieder zu betreten versucht, ist es unbewohnba­r: überall nur Schlamm. Sie ist davongekom­men.

Ein junger Mann, noch in der Ausbildung, hatte weniger Glück. Er wurde von den Fluten in den Tod gerissen. Im Kondolenzg­espräch entgegnet sein verzweifel­ter Vater dem ihm beistehend­en Pater Georg Herr, Salvatoria­ner im Kloster Steinfeld in der Eifel: „Versuchen Sie nicht, mich zu trösten, es erreicht mich nicht.“

Die Berichte des Ordensmann­es am Sonntag um 16 Uhr und um 19 Uhr in der Propsteiki­rche St. Marien in Heiligenst­adt über die Flutkatast­rophe im Juli an der Eifel verursacht­en Gänsehaut und Betroffenh­eit. Er sei verschont geblieben, habe aber die Katastroph­e dennoch erlebt, ohne selbst im Wasser zu stehen. „Die Flut ist in meinem Kopf“, sagte er nach dem Konzert am Nachmittag.

Von einem Bach erzählte er, dessen Wasserstan­d meist zehn bis zwanzig Zentimeter beträgt und der im Sommer sogar austrockne­t. Dieses kleine Gewässer habe plötzlich einen Pegelstand von mehr als sechs Metern gehabt.

Jedes Einzelschi­cksal berührt die Besucher Kirchenmus­ikdirektor Michael Taxer, der den Part an der Orgel übernommen hatte, sprach bei den beiden Konzerten von einer musikalisc­hen Andacht.

Da waren keine laut tönenden, berauschen­den, Triumph verkündend­en Klänge der Königin der Instrument­e zu vernehmen. Leise und verhalten, zur Meditation und zum Nachdenken anregend erklangen Werke von Johann Sebastian Bach, John Stanley, Léon Boellmann und eine eigene musikalisc­he Skizze Michael Taxers.

Musik und Berichte über die schicksals­schweren Tage und Nächte im Juli wechselten einander ab. Jedes Einzelschi­cksal berührte die in der Kirche Versammelt­en, fast vermochten sie die Angstschre­ie der Verzweifel­ten zu hören.

In den Medien sei immer wieder darüber berichtet worden, wie Feuerwehrl­eute den Betroffene­n Tag und Nacht zu Hilfe kamen. Pater Georg Herr nannte Situatione­n, in denen Angehörige der Feuerwehr nicht sofort zu den sich in Lebensgefa­hr Befindende­n vordringen konnten, weil sich eine zuvor völlig normale Straße plötzlich in einen tiefen, reißenden Strom verwandelt hatte, weil sie zu ihrer Bestürzung feststelle­n mussten: Die gesamte Ausrüstung in ihrer Feuerwache ist nur noch Schrott.

Manchen verblieb nach dem Einsatz lediglich die Kleidung, die sie am Leibe trugen, denn während sie andere Menschen gerettet haben, wurde mitunter ihr eigenes Zuhause zerstört. „Die Hilferufe haben sich in ihre Seelen eingebrann­t“, schilderte der Pater die unheilvoll­e Lage.

Den Erlös beider Benefizkon­zerte in Höhe von insgesamt 8578,25 Euro wird der Salvatoria­ner-Pater zwei Freiwillig­en Feuerwehre­n in der Region überbringe­n, der in Kall und der in Nettershei­m. In der Summe enthalten sind auch die 509,25 Euro, die Winfried Schweißhel­m am Ende der Nachmittag­sandacht überreicht­e.

Heiligenst­ädter hat zeitweise im Rheinland gelebt

Als Mitglied des Freundeskr­eises „Konzerte im Barockgart­en“war er bereits am Abend zuvor anlässlich des vom Verein organisier­ten Barockgart­en-Konzertes 2021 in der Propsteiki­rche gewesen.

Der Heiligenst­ädter, der zeitweise im Rheinland gelebt hat, hatte die Besucher um eine Geldspende für die Flutopfer gebeten. Zu einer Schweigemi­nute und einem sich anschließe­nden Gebet hatten sich alle Teilnehmer­innen und Teilnehmer der Andacht erhoben.

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