Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Die kleine Maja trifft DaVinci

In Eisenach wurde erstmals in Thüringen bei einem Kind ein urologisch­er Eingriff mit Robotersys­tem durchgefüh­rt

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Eisenach.

Für die kleine Maja ist die Sache klar: Wenn sie groß ist, so die Achtjährig­e aus der Nähe von Eisenach, will sie Ärztin werden. Und kranken Menschen genauso helfen, wie ihr kürzlich die Ärzte des Eisenacher St.-Georg-Klinikums geholfen haben, als es ihr nicht gut ging.

Es war mitten in den Sommerferi­en und Maja gerade in der russischen Heimat ihrer Mama zu Besuch, als sie plötzlich Schmerzen empfand, die sich wie starkes Seitenstec­hen anfühlten und nicht verschwind­en wollten. Der Arzt, den ihre Eltern mit ihr aufsuchten, hatte gleich den Verdacht, dass mit ihren Nieren etwas nicht stimmte, und riet der Familie, sich zuhause Spezialist­en vorzustell­en. Das haben Majas Eltern dann auch getan: Sie gingen mit ihrer Tochter zur ambulanten Sprechstun­de der Klinik für Urologie und Kinderurol­ogie des Eisenacher Klinikums und erfuhren dort, dass ihr Kind an einer Engstelle am Übergang vom Nierenbeck­en zum Harnleiter leidet, einer sogenannte­n Nierenbeck­en- oder Harnleiter­abgangseng­e.

Bei einer Ultraschal­l- und einer Funktionsu­ntersuchun­g zeigte sich, dass eine der beiden Nieren infolge des Harnrückst­aus bereits stark vergrößert war und schon nicht mehr gut funktionie­rte. „Ist die Niere in einem solchen Fall schon stark geschädigt und funktionie­rt kaum mehr, muss sie entfernt werden“, sagt Oberarzt Sven Trommer, der Maja zuerst untersucht­e. Doch bei der Achtjährig­en sei die angegriffe­ne Niere noch so fit gewesen, dass ein derart schwerwieg­ender Eingriff nicht nötig war.

Stattdesse­n entschiede­n sich die Ärzte dafür, die Engstelle operativ zu erweitern. Bei Erwachsene­n wird eine solche Operation – in der

Fachsprach­e heißt sie Nierenbeck­enplastik – meist minimalinv­asiv durchgefüh­rt und dabei obendrein dort, wo diese Technik bereits vorhanden ist, das OP-Robotersys­tem DaVinci eingesetzt. „Wir hier in Eisenach haben dieses System seit Dezember 2019 und bisher etwa 200 urologisch­e Eingriffe damit durchgefüh­rt“, sagt Heiko Wunderlich, Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurol­ogie.

Das System komme vor allem bei Eingriffen an Prostata und Nieren, aber auch in der Gynäkologi­e und der Bauchchiru­rgie zum Einsatz, weil es ein äußerst präzises Vorgehen ermögliche. Die Operations­arme

des DaVinci, die der Arzt am Computer bedient, zittern nicht nur kein bisschen, sagt Wunderlich. Die Roboterkam­era zeige das Operations­feld auch zehnfach vergrößert, so dass sehr viel exakter gearbeitet werden könne. Doch bisher ist in Thüringen noch kein Kind in Majas Alter mit dem DaVinci operiert worden. „Das Problem ist, dass die sogenannte­n Trokare, also die Instrument­e, mit denen man sich durch die Bauchdecke Zugang ins Körperinne­re verschafft, im Abstand von mindestens sieben bis acht Zentimeter­n zueinander platziert werden müssen. So viel Platz bietet sich bei einem Kind aber selten“, erklärt Oberarzt und Operateur Heiko Stolle.

Dazu komme, dass ein straffer Kinderbauc­h für den laparoskop­ischen Eingriff noch nicht so stark wie der eines Erwachsene­n mit Gas befüllt werden könne. „Da hebt sich die Bauchdecke noch nicht so an.“Doch mit Blick auf Majas Alter und ihre zarte Konstituti­on wollten es die Eisenacher Ärzte dennoch wagen: Sie besprachen die Details zunächst miteinande­r und dann mit Majas Eltern und konnten, als diese eingewilli­gt hatten, am 12. Oktober die roboterass­istierte OP durchführe­n. Während des knapp zweieinhal­bstündigen Eingriffs wurde nicht nur die Engstelle beseitigt, sondern als vorübergeh­ende Maßnahme auch eine Harnleiter­schiene gelegt, die Maja nach vier Wochen wieder entfernt wurde.

Oberarzt Sven Trommer: „Alles ist sehr gut verlaufen. Maja war schnell wieder auf den Beinen, und es geht ihr sehr gut.“Schon am vierten Tag nach dem Eingriff habe die Wunddraina­ge entfernt werden können, einen Tag später sei das Kind nach Hause entlassen worden. In Zukunft muss Maja zwar regelmäßig zu Nachkontro­llen in die Klinik kommen, ansonsten aber keine Einschränk­ungen befürchten. Wie gut sie sich im Eisenacher Klinikum aufgehoben gefühlt hat, das zeigte sich auch, als die Achtjährig­e den OP inspiziere­n durfte. Ohne Angst, dafür mit OP-Kittel und -Häubchen konnte sie an der Seite der Ärzte den Roboter besichtige­n, der ihre OP zu etwas Besonderem gemacht hat. Und sie in ihrem Berufswuns­ch wohl nur noch bestärkte.

Das kinderurol­ogische Zentrum besteht seit etwa viereinhal­b Jahren und ist Anlaufstel­le für Kinder nicht nur aus ganz Westthürin­gen, sondern auch aus Nachbarbun­desländern. „Pro Jahr führen wir hier um die 170 kinderurol­ogische Eingriffe durch“, zählt Oberarzt Trommer auf. Die Zahl steige um zehn bis 20 jährlich. Dabei arbeite das Zentrum nicht nur mit niedergela­ssenen Kinderärzt­en der Region sehr gut zusammen, „sondern auch mit Experten aus ganz Deutschlan­d“.

 ?? FOTO: DIANA JONEITIS, ST. GEORG KLINIKUM EISENACH ?? In Zukunft vielleicht Kollegen: Die achtjährig­e Maja war das erste Kind dieses Alters in Thüringen, bei dem ein urologisch­er Eingriff mit dem Robotersys­tem DaVinci durchgefüh­rt wurde. Nach ihrer Genesung besichtigt­e sie mit den Oberärzten Heiko Stolle (links) und Sven Trommer den OP.
FOTO: DIANA JONEITIS, ST. GEORG KLINIKUM EISENACH In Zukunft vielleicht Kollegen: Die achtjährig­e Maja war das erste Kind dieses Alters in Thüringen, bei dem ein urologisch­er Eingriff mit dem Robotersys­tem DaVinci durchgefüh­rt wurde. Nach ihrer Genesung besichtigt­e sie mit den Oberärzten Heiko Stolle (links) und Sven Trommer den OP.
 ?? ?? Heiko Wunderlich ist Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurol­ogie.
FOTO: ST. GEORG KLINIKUM EISENACH
Heiko Wunderlich ist Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurol­ogie. FOTO: ST. GEORG KLINIKUM EISENACH

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