Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Windige Zukunft
Energieministerin trifft im Windpark Uthleben nur Befürworter, im Landtag ist das anders
Anja Siegesmund trägt eine Art Klettergeschirr, der Karabiner ist zur Sicherung eingehakt. Unter dem roten Helm wehen die dunklen Haare. Es ist zugig hier oben.
Thüringens Umwelt- und Energieministerin hat zehn Minuten in einer kleinen stählernen Aufzugkabine verbracht, die gerade so Platz für zwei Personen bietet. 147 Meter ging es hoch, die letzten Meter per Leiter. Jetzt genießt sie die Aussicht von der Kuppel eines Windrades in Uthleben (Landkreis Nordhausen).
„Die Arbeitsplätze der Zukunft liegen unter anderem hier in luftiger Höhe“, sagt Siegesmund. „Ich verstehe wirklich nicht, wie man Angst vor Windenergie haben kann.“
Der Satz ist eine Anspielung auf die CDU, mit der die rot-rot-grüne Minderheitskoalition zurzeit versucht, einen „Windfrieden“im Land auf den Weg zu bringen. Aber die Vorstellungen liegen trotz erster Annäherungen immer noch weit auseinander. Nicht nur bei Windkraft im Wald. Die Union setzt vor allem darauf, bestehende Anlagen zu ertüchtigen. Siegesmund argumentiert, dass das nicht ausreiche, um das vom Bund vorgegebene Zwei-Prozent-Ziel zu schaffen.
Weiter große Vorbehalte gegen die riesigen Betonspargel
Der Klimawandel, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und gedrosselte Gaslieferungen spielen ihr in die Hände. Gleichwohl gibt es in Teilen des Landes diverse Bürgerinitiativen. Die Vorbehalte gegen die riesigen Betonspargel sind weiter groß. Sie versiegeln Hunderte Quadratmeter Boden und verschandeln aus der Sicht der Gegner die Landschaft. In Uthleben muss sich Siegesmund nicht mit Kritikern auseinandersetzen, hier trifft sie Menschen, die zur Windkraft stehen.
Der Windpark ist für die grüne Ressortchefin ein Musterbeispiel, wie diese Energieform durch frühzeitige Bürgerbeteiligung akzeptiert wird. Zwei Anlagen mit je drei Megawatt Leistung wurden nach Ministeriumsangaben am 1. Mai 2018 an die Stadtwerke Nordhausen verkauft. In den Jahren 2019 bis 2021 gingen 49 Prozent der Anteile an fünf Genossenschaften, eine Gemeinde und eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts über. In Summe seien 463 Genossinnen und Genossen beteiligt. Die Rendite liege bei vier Prozent pro Jahr. Die Anlagen erzeugten Strom für 4000 Haushalte und sparten jährlich etwa 7000 Tonnen CO2 ein, heißt es.
Die Energiegenossenschaft aus dem benachbarten Helmetal, der Jürgen Weidt angehört, ist mit sieben Prozent an den Windrädern beteiligt. Es sei ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen, dass Wertschöpfung durch Windkraft aus Thüringen abfließe, sagt er.
Das sieht Christopher Gieb von der 240 Mitglieder zählenden Ilmtal Genossenschaft ähnlich. Sie hält 17 Prozent. „Hier sind es keine fremden Investoren, die die Gewinne abgreifen. Wenn das Windrad sich dreht, können wir sehen, dass eine Rendite kommt“, sagt Gieb.
„Negative Berührungspunkte“, wie er das nennt, hat dagegen Markus Meyer gemacht. „Mir ist Fläche entzogen worden“, sagt der Landwirt
aus Uthleben. Rund ein halber Hektar sei ihm verloren gegangen. Dennoch ist seine Familie mit zwei Prozent beteiligt. Die Verzinsung stimme zurzeit. „Die Beteiligung an einem Windrad ist finanziell interessanter als 4000 Quadratmeter Weizen anzubauen“, sagt Meyer.
Ramona Rothe, die Leiterin der Servicestelle Windenergie bei der Thüringer Energieagentur, berichtet davon, dass die Nachfrage von Kommunen nach Beratung zur Windkraft stark angezogen habe – aktuell seien es etwa 160. Sie spüre, dass bei etlichen Gemeinden, die Windrädern zunächst skeptisch gegenüber standen, ein Umdenken einsetze. Dazu trügen auch die Bundesvorgaben zur Windenergie bei, sowie die Fragen der Versorgungssicherheit, sagt Rothe. Mittlerweile sei auch möglich, dass Gemeinden mit 0,2 Cent pro Kilowattstunde an den Erlösen beteiligt werden können. Bei einem Windrad kämen da im Jahr 20.000 bis 30.000 Euro zusammen.
Siegesmund betont, es brauche die Menschen vor Ort, um Windprojekte anzuschieben. Aber das Ministerium könne helfen – etwa über Beratung. Künftig solle auch ein Bürgerenergiefonds in Höhe von zwei Millionen Euro aufgelegt werden, kündigt sie an. Darüber könnten sich Genossenschaften Geld für eine Anschubfinanzierung leihen.
„Über all das hätte ich hier oben auch gerne mit Mario Voigt gesprochen“, sagt Siegesmund kurz bevor es für sie wieder nach unten geht. Aber der Vorsitzende der CDUFraktion im Thüringer Landtag habe ihre Einladung ausgeschlagen.