Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Rückepferde helfen im Wald
Nur etwa ein Prozent der gesamten Holzerntemenge von Thüringenforst wird ohne Maschinen abtransportiert
„Weniger als ein Fünftel unserer Wälder ist richtig gesund“, erklärt Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) unlängst bei einer Waldexkursion mit ihren Amtskollegen aus Sachsen und Brandenburg. „Die mit der Klimakrise einhergehende Trockenheit greift das Immunsystem unserer Wälder an. Dazu kommen Stürme und Borkenkäfer. Gesunde Wälder sind wichtiger als je zuvor. Sie regulieren und schützen das Klima, speichern Wasser, binden klimaschädliches CO2 und produzieren Sauerstoff. Doch sie brauchen auch unseren Schutz und eine Bewirtschaftung, die sich an die Klimakrise anpasst.“Im Wald sollte nur noch dort schwere Technik eingesetzt werden, wo es zwingend nötig sei, damit der Boden nicht unnötig verdichtet werde, um vorausschauend das Klima zu schützen, so die Ministerin.
Für bodenschonenden Waldeinsatz werden vermehrt Rückepferde eingesetzt. Allerdings, so die Auskunft des Landwirtschaftsministeriums, gibt es im Freistaat nicht genügend, sodass in den vergangenen beiden Jahren auch Gespanne aus Bayern, Hessen und Sachsen in Thüringen zum Einsatz kamen. Die Zahl der Holzberäumungen durch Pferde hat von 48 (2020) auf 59 (2021) zugenommen. Rückepferde ersetzen keine Forstmaschinen, sondern ergänzen sie, erklärt Sprecher Horst Sproßmann vom Thüringenforst. Für das Rücken schwerer Stämme sowie das Aufschichten von Holzstapeln werden auch weiterhin Maschinen benötigt. Der Vorteil der Pferde ist jedoch, dass sie bodenund bestandsschonend arbeiten und deshalb vorzugsweise auf empfindlichen Waldböden eingesetzt werden. Allerdings erhöhen sich die Erntekosten dadurch um 20 Prozent. Es gibt in Thüringen etwa ein halbes Dutzend professioneller Pferderücker. Rund 12.000 Festmeter Holz wurden damit pro Jahr bewegt, das sind etwa ein Prozent der gesamten Holzerntemenge im Staatswald von Thüringenforst.
Thüringens bekanntester Pferderücker ist Jens Nattermann (52) aus Springstille (Schmalkalden-Meiningen). Und das schon in fünfter Generation. Mit seinen Söhnen wird es vermutlich eine Fortführung geben. Nach 25 Jahren Selbstständigkeit sind er und seine Pferde mittlerweile bei einer Firma angestellt, die ihre Dienste auch Thüringenforst anbietet. 1988 hat er sein erstes Gespann übernommen, lebt und arbeitet seither mit seinen Tieren. Momentan hat er zwei erfahrene Rückepferde und ein weiteres in der Ausbildung. Die dauert zwei bis drei Jahre und kostet 6000 Euro. Er hält sich dafür Thüringer Kaltblüter, um die 800 Kilogramm schwer, gutmütig und ruhig. Im professionellen Betrieb können sie 15 bis 18 Jahre eingesetzt werden. „Allerdings ist bei dieser Arbeit eine bedingungslose und enge Bindung zwischen Mensch und Tier notwendig. Die Lebensversicherung für beide Seiten“, erklärt Jens Nattermann.
2012 wurde er übrigens das erste Mal Deutscher Meister im Pferderücken, danach noch weitere Male. Er ist vierfacher Thüringenmeister, dreifacher Mitteldeutscher Vizemeister und belegte in der Europameisterschaft 2015 den dritten Platz. Nun ist es mit den Wettkämpfen vorbei. Er sieht seine Aufgabe eher darin, dem Nachwuchs in der Forstwirtschaft sein Metier nahezubringen, Praktika anzubieten, schon in Kindergärten und bei Schulkindern das Interesse zu wecken. Immerhin ist dank seines Engagements Pferderücken mittlerweile schon Thema bei der Ausbildung zum Forstwirt geworden.