Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Das authentisc­he und spontane Ich

- Lukas Hennecke ist Kaplan in der katholisch­en Gemeinde St. Maria Magdalena in Leinefelde.

„Es ist BeReal-Zeit!“, riefen einige Jugendlich­e inmitten von 1,5 Millionen junger Menschen während des Gottesdien­stes beim Weltjugend­tag in Lissabon. Und sofort zückten alle zeitgleich ihr Handy.

BeReal ist eine immer beliebter werdende Handy-App. Sie fordert ihre Nutzerinne­n und Nutzer zu einer bestimmten Tageszeit dazu auf, ein spontanes Foto von sich aufzunehme­n und an Bekannte, Freundinne­n und Freunde zu verschicke­n. Wenn man dieser Aufforderu­ng zeitnah folgt, gibt es eine digitale Belohnung. Damit auch in Lissabon niemandem diese Belohnung entgeht, hat sich die pilgernde Jugend natürlich auch mitten im Gottesdien­st gegenseiti­g vorgewarnt: „Es ist BeReal-Zeit!“.

Sicher finden sich viele Kritikpunk­te an diesem Trend. Aber eines gefällt mir an BeReal: Bei dieser App geht es um ganz authentisc­he, spontane und reale Eindrücke meines Lebens. Es sind keine gestellten Fotos wie bei einer Hochzeit, keine geschminkt­en Auftritte wie im FernWas

sehen und keine einstudier­ten Reden wie in der Politik. Bei BeReal geht es um mein wahres Gesicht. Es bleibt kaum Zeit dafür, zu überlegen, wie ich auf dem Bild wohl am besten rüberkomme – auch wenn Einzelne auch diese Fotos zu optimieren versuchen.

bei BeReal zum Erfolgskon­zept gehört, funktionie­rt im Alltag fast nie. Mir fällt es meistens schwer, mich einfach so zu zeigen, wie ich bin. Wer hat vor anderen Leuten nicht schon manche Begebenhei­ten so erzählt, dass man selbst in besserem Licht dasteht? Oder diejenigen Details weggelasse­n, die einen selbst schlecht aussehen lassen?

Ich für meinen Teil zeige mich am liebsten von meiner Schokolade­nseite, ohne Falten und graue Haare, ohne Schwächen und Macken. Vielleicht komme ich deshalb nicht so recht an die BeReal-App ran.

Am Sonntag wird in katholisch­en Gottesdien­sten folgender Satz vorgelesen: „So werden die Letzten

Erste sein und die Ersten Letzte.“(Mt 20,16) Es ist eigentlich banal: Bei Gott wird nicht derjenige der Erste, der sich am besten präsentier­en kann. Bei ihm gewinnt nicht diejenige, die sich im Leben super darstellen kann. Das entlastet total. Gott müssen wir nichts beweisen. Vor ihm müssen wir aber auch nichts verstecken.

Die wichtigste Person im Universum kennt unsere ansehnlich­sten Stärken und unsere peinlichst­en Schwächen. Und nimmt uns genau so an. Bei Gott gilt immer: „Es ist BeReal-Zeit!“.

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FRANK RUMPENHORS­T / DPA Die Handy-App „BeReal“erfreut sich bei Jugendlich­en großer Beliebthei­t.
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Lukas Hennecke über einen digitalen Trend und das reale Leben

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