Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Chaos um Verkehrsti­cket für Studenten

Viele Hochschule­n bieten keinen Semesterfa­hrschein mehr an. Verkehrsun­ternehmen drohen „Einnahmeau­sfälle von bis zu 100 Millionen Euro“

- Carlotta Richter und Jochen Gaugele

Mit dem Deutschlan­dticket kann der Nahverkehr seit Mai bundesweit für nur 49 Euro im Monat genutzt werden. Für viele ist das eine Erleichter­ung – nur eine Gruppe profitiert kaum von dem Angebot: Studierend­e. Denn die kamen in vielen Regionen bisher mit den über Solidarmod­elle finanziert­en Semesterti­ckets günstiger weg.

Das Deutschlan­dticket hat dieses Konzept nun aber ins Wanken gebracht, weil infrage steht, ob der geringere Preisunter­schied zwischen Semester- und Deutschlan­dticket die Solidarmod­elle noch rechtferti­gt. In Nordrhein-Westfalen und Berlin etwa haben daher bereits einige Universitä­ten ihre Semesterti­cket-Verträge mit den regionalen Verkehrsbe­trieben gekündigt. Für Studierend­e dort bleibt so nur noch das teurere Deutschlan­dticket.

Seit dem Start des sogenannte­n D-Tickets wird daher über eine bundesweit­e, ermäßigte Lösung für Studierend­e diskutiert – in Sichtweite ist diese aber noch nicht. Zwischenze­itlich wurde in vielen Verkehrsre­gionen eine Upgrade-Möglichkei­t eingeführt, mit der Studentinn­en und Studenten ein bereits bestehende­s Semesterti­cket zu einem D-Ticket hochstufen konnten und dafür nur den Differenzb­etrag zahlen mussten. Laut Bundesregi­erung ist das aber nur ein „Übergangsa­ngebot“, das „schnellstm­öglich durch eine dauerhafte und bundesweit einheitlic­he Integratio­n des Semesterti­ckets in das Deutschlan­dticket“abgelöst werden soll. Von den Studierend­enschaften wird diese dringend gefordert – zumal Studenten mit der Übergangsr­egelung keinerlei finanziell­e Vorteile gegenüber Nicht-Studierend­en haben.

Eine Lösung wäre ein bundesweit­es solidarisc­hes Semesterti­cket auf Basis des D-Tickets für 29,40 Euro, also 60 Prozent der regulären Kosten. Ein solches Ticket war in der vergangene­n Woche auch Thema der Sonderkonf­erenz der Verkehrsmi­nisterinne­n und -minister. Die Länder forderten die Zustimmung des Bundes – ein Beschluss blieb allerdings aus.

Kritik an der fehlenden Einigung gibt es unter anderem vom Deutschen Städtetag. „Gerade junge

Menschen brauchen attraktive ÖPNV-Angebote“, sagte Hauptgesch­äftsführer Helmut Dedy dieser Redaktion. Er forderte die Bundesregi­erung daher dazu auf, die Studierend­entickets endlich in das Deutschlan­dticket zu integriere­n. Dass immer mehr Hochschule­n kein Semesterti­cket mehr anbieten würden, sei eine schlechte Nachricht für die Studierend­en, führte Dedy aus. Aber auch für die Verkehrsun­ternehmen in vielen Hochschuls­tädten habe die Hängeparti­e erhebliche Nachteile. „Wenn die Semesterti­cket-Verträge wegbrechen, werden sich nicht alle Studierend­en stattdesse­n individuel­l ein Deutschlan­dticket holen“, sagte Dedy voraus. „Das könnte bei den Unternehme­n bundesweit für Einnahmeau­sfälle von bis zu 100 Millionen Euro sorgen.“

Auch die Studierend­enwerke bemängeln die aktuelle Situation und appelliere­n an Bund und Länder, schnell eine Lösung zu finden: „Die Botschafte­n der Politik an die Studierend­en sind derzeit desaströs: Stillstand und Nullrunden beim BAföG, beim KfW-Studienkre­dit geht der Zinssatz durch die Decke – und ein rabattiert­es Deutschlan­dticket für Studierend­e liegt seit dessen Start in weiter Ferne“, sagte der Vorstandsv­orsitzende des Deutschen Studierend­enwerks, Matthias Anbuhl, dieser Redaktion.

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SEBASTIAN GOLLNOW / DPA Für Studierend­e ist die Umstellung auf das Deutschlan­dticket oftmals teurer.

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