Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Kinderärzte sauer über Bundespläne
Beraterkommission empfiehlt mehr Klinikambulanzen. Niedergelassene fühlen sich übergangen
Unbedarft und weltfremd – so kommentieren niedergelassene Kinderärzte in Thüringen Vorstellungen des Bundes, nach denen Kliniken für mehr ambulante Behandlungen von Kindern und Jugendlichen geöffnet werden sollen. „Die meisten jungen Patienten werden von Niedergelassenen behandelt. Das gilt auch für neurologische und kardiologische Fälle. Leider bleiben wir bei den Gedankenspielen völlig außen vor. Durch die Eingriffe ins System würde die Versorgung gefährdet“, sagte Dirk Rühling, Sprecher des Landesverbandes der Kinderund Jugendärzte (BVKJ).
Stein des Anstoßes sind Empfehlungen der Regierungskommission für die Krankenhausreform. Danach sollen Kliniken künftig Institutsambulanzen einrichten, um Heranwachsende insbesondere in Regionen mit wenigen Fachärzten zu versorgen. Geplant ist dafür ein
Sonderfonds für Aufschläge von bis zu 20 Prozent.
Die überwiegend klinischen Berater der Regierung verfügten über keine Erfahrungen in der ambulanten Pädiatrie und machten weltfremde Vorschläge aus dem Wolkenkuckucksheim, hält der Verband der Kinder und Jugendärzte dagegen. „Institutsambulanzen sind ein teurer und ineffizienter Vorschlag und für eine hochwertige fachärztliche Versorgung ungeeignet. Einmal mehr soll die ambulante Versorgung klinikzentriert umorganisiert werden“, kritisiert Rühling. Neben einer ungleiche Bezahlung gleicher Leistungen drohe eine Vervielfachung der Kosten bei der Behandlung chronisch kranker Kinder. Die überwiegend gute Zusammenarbeit zwischen stationären und ambulanten Kinderärzten werde so torpediert.
Laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVT) verfolgen die Empfehlungen zwar hehre Ziele. „Die Kritionär tik richtet sich gegen einseitig interessengeleitete Positionen. Gerade in diesem Fachgebiet verfügt Thüringen über ein gutes Zusammenwirken zwischen ambulant und sta
tätigen Fachkollegen. Es ist kontraproduktiv, dies mit dem Hegemoniestreben einzelner Chefärzte und wirtschaftlichen Interessen von Klinikträgern zu belasten“, sagte KV-Vorstand Thomas Schröter.
Krankenhäuser hatten wiederholt eine bessere Ausstattung für die Klinikpädiatrie gefordert. Bei einer Blitzumfrage der Krankenhausgesellschaften Anfang des Jahres bezeichneten viele Kinderkliniken ihre Lage als dramatisch. Gründe seien neben der Unterfinanzierung auch fehlendes Fach- und Pflegepersonal. Das schaffe man auch mit den Vorschlägen nicht, so Rühling. „Die gute wohnortnahe und flächendeckende vertragsärztliche Versorgung sollte gestärkt werden, statt sie auszutrocknen“, sagte er. Thomas Schröter betonte, es gebe keine wissenschaftliche Begründung, pädiatrische Institutsambulanzen als teure Parallelstrukturen neben der bestehenden Regelversorgung zu etablieren.
Die wohnortnahe und flächendeckende vertragsärztliche Kinderund Jugendmedizin sollte gestärkt werden, statt sie auszutrocknen. Dirk Rühling, Weimarer Kinderarzt und Landessprecher des BVKJ Thüringen