Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Ruhe und Genuss unterm Blätterdac­h

Gasthaus „Zum Birnbaum“in Erfurt-Hochheim bewirtet schon seit 1880 Gäste. 1974 kauft es die Familie Fienhold und betreibt es bis heute

- Michael Keller In der Serie „Historisch­e Gasthäuser“stellen wir die Gaststätte­n der Region vor, die eine weitreiche­nde Geschichte aufweisen. Alle Folgen unter: tlz.de/ gasthaeuse­r

Erfurt. Biergärten sind eine bayrische Erfindung. Entstanden im 19. Jahrhunder­t. Heute Standard landauf landab. Denn was gibt es Schöneres, als in lauschiger Umgebung im Grünen zu sitzen, ein Bier zu trinken und Kulinarisc­hes zu genießen. Da bietet sich eines der ältesten Gasthäuser Erfurts geradezu an. In der Wagdstraße in Hochheim gibt es das Gasthaus „Zum Birnbaum“. Betrieben von Margit und Uwe Fienhold. Der 65-Jährige, der den Service allein schmeißt, während seine drei Jahre jüngere Frau in der Küche an Topf und Pfanne waltet, war bislang immer vom Gründungsj­ahr 1897 ausgegange­n.

Dann aber segelte der Brief eines treuen weiblichen Stammgaste­s ins Haus. Und darin stand, dass bereits 1880 ein gewisser Hermann Wagner aus Hochheim nach seiner Militärzei­t bei der Kaiserlich­en Garde gemeinsam mit seiner Frau Helene in Hochheim den „Birnbaum“eröffnete. Für viele Erfurter Kränzchen-Schwestern, Familien und Himmerfahr­tsausflügl­er sei er schon damals zum Begriff geworfrequ­entiertes den, heißt es. Es habe Tanz im Garten gegeben und es sei immer sehr lebhaft und sehr lustig zugegangen.

Margit und Uwe Fienholds Erinnerung setzt 1974 an. Da kauften die Fienhold-Eltern das Lokal. Für Schichtarb­eiter wurde der „Birnbaum“nach Feierabend zu Eldorado. Mit dem elektrisch­en O-Bus — der hing mit zwei Stangen an einer Oberleitun­g — ging es nach Hochheim, mit dem letzten „Lumpensamm­ler“um 0.40 Uhr wieder nach Hause.

Aber obwohl nach der Wiedervere­inigung die Großbetrie­be zusammenbr­achen und kein Schichtarb­eiter mehr kam, überlebte das traditione­lle Gasthaus den Umbruch. Und ist heute wieder ein gut Ziel für die Städter, die auf der Suche nach Ruhe und Genuss sind.

Vor 44 Jahren liefen sich die beiden waschechte­n Erfurter über den Weg. Und stürzten sich ohne große Erfahrung ins Abenteuer Gastronomi­e. Die Fienhold-Mutter war die ideale Lehrerin. Von diesem Fundus zehren die Fienholds heute noch. Das Gasthaus „Zum Birnbaum“lockt mit einem grünen Blätterdac­h und ab Mitte Mai mit herrlichen Trompetenb­äumen, Cannapflan­zen und Blumenkäst­en im Biergarten. Und wenn die Temperatur fallen, gibt es drinnen eine gemütliche Gaststube, in der sich der Gast, so der Winter Kälte bringt, an einem großen gesetzten Kachelofen wärmen kann.

Geöffnet hat der „Birnbaum“von Mittwoch bis Sonntag. Doch man wird nicht jünger und über die Jahre stellen sich immer öfter einige Zipperlein ein. Uwe Fienhold überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre, abends auf Selbstbedi­enung umzustelle­n. Die kulinarisc­he Qualität werde darunter aber keinesfall­s leiden, verspricht er. Die Karte wartet mit gutbürgerl­icher Küche aus Thüringen ohne Chichi auf. Da finden sich das Würzfleisc­h und die Soljanka, die dicke Knobländer­wurst mit Kartoffels­alat und die Sülze mit Bratkartof­feln, lockt ein traditione­lles Bauernfrüh­stück und das beliebte Rostbrätel. Feuerfleis­ch, Jägerschni­tzel und Steak au four fehlen natürlich ebenso wenig.

Die Stammgäste werden von den Fienholds gern mit Handschlag begrüßt, Herzlichke­it ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Und man hört den Gästen auch zu, wenn die ihr Herz ausschütte­n. „Wir hätten auch Seelsorger werden können“, sagt Margit Fienhold und lacht. Der Erfolg muss hart erarbeitet werden, nicht selten in einem 14-StundenTag. Personal zu finden, hat sich als erfolglos erwiesen. Doch das 50Jährige im April 2025 ist eine gesetzte Zielmarke. Danach, denken die beiden, wird es bis zum 70. Geburtstag von Uwe Fienhold noch weitergehe­n.

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RICHARD SCHEUKER, ANSICHTSKA­RTENVERLAG ERFURT /IN BESITZ VON UWE UND MARGIT FIENHOLD Eine historisch­e Postkarte mit der Gaststätte „Zum Birnbaum“in Erfurt-Hochheim: Auf der Rückseite wird sie als „angenehmes Familienlo­kal“beschriebe­n und ein „schattiger Garten“erwähnt.
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MICHAEL KELLER (2) Margit und Uwe Fienhold sind die Betreiber der Gaststätte „Zum Birnbaum“.
 ?? ?? 44 Plätze sind im Biergarten unterm Blätterdac­h verfügbar und 50 Plätze im Gastraum mit dem großen Kachelofen.
44 Plätze sind im Biergarten unterm Blätterdac­h verfügbar und 50 Plätze im Gastraum mit dem großen Kachelofen.

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