Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Kündigungs­schutz für alte und kranke Mieter

Bundesgeri­chtshof stärkt die Rechte der Betroffene­n

- VON ANJA SEMMELROCH

KARLSRUHE. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) stärkt besonders schutzwürd­igen Mietern den Rücken, die sich gegen ihre Kündigung wehren. Bringen sie schwere gesundheit­liche Probleme oder gar Lebensgefa­hr vor, müssen Gerichte dem besonders sorgfältig nachgehen. Bevor ein Richter der Räumungskl­age stattgibt, hat er sich sehr genau anzuschaue­n, welche Folgen der Umzug für den Betroffene­n haben könnte und wie wahrschein­lich es ist, dass diese eintreten. Das geht aus einem am Mittwoch verkündete­n Urteil hervor. Die Karlsruher Richter hatten über einen Streit aus Sinzheim bei Baden-baden zu entscheide­n. Dort will eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern ihr Haus aus Platzgründ­en für sich allein und hat einem betagten Ehepaar im Erdgeschos­s die Wohnung gekündigt.

Eigenbedar­f ist prinzipiel­l ein legitimer Kündigungs­grund. Eine Sozialklau­sel im Mietrecht (§ 574 BGB) sieht aber vor, dass Mieter unter Umständen trotzdem nicht weichen müssen – nämlich dann, wenn der Umzug eine nicht zu rechtferti­gende Härte bedeuten würde. Bei der Abwägung sind auch die Vermieter-interessen zu berücksich­tigen. Unter Verweis auf diese Klausel wehren sich der 87 Jahre alte Mann und seine 78jährige Frau gegen die Räumungskl­age. Sie sagen: Zumindest dem Mann, der an einer beginnende­n Demenz leide, sei kein Wohnungswe­chsel mehr zuzumuten. Vor dem Amts- und Landgerich­t hatten sie keinen Erfolg. Mit dem Bgh-urteil gibt es jetzt neue Hoffnung.

Der Deutsche Mieterbund nannte die Entscheidu­ng „ein gutes Urteil“. „Letztlich muss das Mieterrech­t auf körperlich­e Unversehrt­heit dem Vermieteri­nteresse auf freie Lebensgest­altung in derartigen Fällen vorgehen“, erklärte Bundesdire­ktor Lukas Siebenkott­en.

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