Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Ganz locker mit Rekordverlust
Eon legt tiefrote Zahlen vor – Chef Teyssen sieht den Energiekonzern dennoch auf dem richtigen Weg
ESSEN. Johannes Teyssen ist mittlerweile geübt darin, Milliardenverluste zu verkünden. 2011, 2014, 2015 und nun 2016 – bereits zum vierten Mal in seiner Amtszeit als Chef des Energiekonzerns Eon legt er tiefrote Zahlen vor. Diesmal ist es ein Fehlbetrag von 16 Milliarden Euro – eines der schlechtesten Ergebnisse in der deutschen Unternehmensgeschichte.
Der politisch erzwungene Atomausstieg und die Folgen der Energiewende hinterlassen tiefe Spuren in der Bilanz. Der jüngste Nettoverlust ist höher als der Börsenwert von Eon, der sich innerhalb von vier Jahren auf rund 14 Milliarden Euro halbiert hat. Es ist nicht lange her, da zählte Eon noch zu den wertvollsten Unternehmen Deutschlands.
Vorstandsgehalt steigt trotz hohen Verlustes
Und doch zeigt sich Teyssen demonstrativ gelassen, als er in Essen die Bilanz vorlegt. Er lässt sich sogar auf Plaudereien über seine Krawatte ein. „Wir fühlen uns ganz cool – mit oder ohne Krawatte“, sagt er, als ihn ein Journalist darauf anspricht, dass Peter Terium, Chef des Eonkonkurrenten Innogy, seine Bilanz zwei Tage zuvor im Stil eines lockeren Ökostrom-managers ohne Krawatte und mit geöffnetem obersten Hemdknopf präsentiert hat. Teyssen trägt heute eine.
Der 57-Jährige steht seit Mai 2010 an der Spitze von Eon. Vor vier Jahren ist sein Vertrag bis Ende 2018 verlängert worden. Ob er auch Fehler gemacht habe, wird Teyssen gefragt. „Ja, klar“, entgegnet er. Die Unfehlbarkeit kenne er nur aus anderen Zusammenhängen, sagt er in Anspielung auf das Amt des Papstes. „Der Einstieg in Brasilien war ein Flop. Das war eine Fehlentscheidung“, sagt er. Eon hatte dort mehr als eine Milliarde Euro in den Strommarkt gesteckt, ohne dass sich die Investition auszahlte. Stolz sei er hingegen auf die Abspaltung des Kraftwerksbetreibers Uniper, sagt Teyssen.
Doch auch dieses Manöver hat maßgeblich zum Rekordverlust beigetragen. Vor dem Börsengang im vergangenen Jahr stand Uniper mit unrealistisch hohen Buchwerten in der Eonbilanz. Elf Milliarden Euro hat der Konzern allein deshalb abschreiben müssen. „Wir haben bilanziell reinen Tisch gemacht“, beteuert Teyssen. Eon könne in Zukunft mit einem „durchweg gesunden Geschäft“wachsen. Seit der Zweiteilung des Konzerns konzentriert sich Eon auf das Geschäft mit erneuerbaren Energien und Stromnetzen.
Doch die Mitarbeiter der „neuen Eon“, wie Teyssen das Unternehmen nennt, müssen sich zunächst einmal auf ein Sparpaket namens Phoenix einstellen. Bis zu 1300 der derzeit 43 000 Arbeitsplätze sollen wegfallen, davon rund 1000 in Deutschland. Teyssen nennt das einen „notwendigen, moderaten Stellenabbau“. Von 2018 an sollen die Kosten im Konzern um 400 Millionen Euro pro Jahr sinken.
Die Gewerkschaft Verdi geht davon aus, dass besonders Mitarbeiter in der Verwaltung betroffen sein werden. Verdi-vorstandsmitglied Andreas Scheidt, der auch Vizeaufsichtsratschef von Eon ist, kritisiert: „Es ist völlig unverständlich, wie ein kontinuierlicher Abbau der Belegschaft und der Aufbau neuer, personalintensiver Geschäftsfelder zusammengehen können.“Und: „In Wahrheit schließt das eine das andere aus.“
Nach Angaben der Gewerkschaft IG BCE hat Eon seit dem Beginn der Energiewende in Deutschland mehr als jeden dritten Arbeitsplatz gestrichen. Insgesamt habe sie hierzulande bislang 20 000 bis 25 000 Stellen bei den Energieversorgern gekostet. Zur Jahresmitte wird Eon voraussichtlich rund zehn Milliarden Euro an den staatlichen Atomfonds überweisen und sich damit von Haftungsrisiken im Zuge des Ausstiegs aus der Kernenergie befreien.
Rund 26 Milliarden Euro Schulden lasten auf dem Konzern. Das Eigenkapital ist – gemessen an internationalen Buchhaltungsstandards – binnen eines Jahres von 19 Milliarden auf knapp 1,3 Milliarden Euro geschrumpft. Beunruhigend sei das nicht, sagt Teyssen. „Ich schlafe weiter ganz friedlich.“Ein Grund dafür mag sein, dass der Konzern vor Zinsen und Steuern (Ebit) einen Gewinn von 3,1 Milliarden Euro einfuhr, allerdings ebenfalls 13 Prozent weniger als im Vorjahr. Gleichwohl plant Eon nun neben einer Kapitalerhöhung auch Beteiligungsverkäufe, um die Kapitaldecke zu stärken. Ab 2018 will sich Eon vom 47-Prozent-anteil an Uniper trennen.
Trotz des Rekordverlusts sollen die Aktionäre für 2016 eine Dividende von 21 Cent je Aktie erhalten. Für 2017 stellt Eon 30 Cent in Aussicht. Auch der Konzernchef muss keine Einschnitte hinnehmen: Seine Gesamtvergütung für 2016 steigt von 4,4 auf 4,7 Millionen Euro.