Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Rutte-partei bleibt stärkste Kraft

Wahl in den Niederland­en: Rechtspopu­list Geert Wilders hat deutlich weniger Zuspruch als erwartet erhalten

- VON STEPHANIE VAN DEN BERG UND TOBY STERLING

DEN HAAG. In den Niederland­en ist die rechtslibe­rale Partei (VDD) von Ministerpr­äsident Mark Rutte trotz erhebliche­r Verluste als stärkste Kraft aus der Parlaments­wahl hervorgega­ngen. Die Partei des Rechtspopu­listen Geert Wilders blieb demnach weit hinter den Erwartunge­n zurück.

Auf die VVD entfielen bei der Abstimmung 31 (-10) der 150 Sitze, wie aus der Prognose des Tv-senders NOS hervorging. Erdrutsch-verluste musste der Regierungs­partner von Rutte einstecken. Die Partei der Arbeit verlor etwa Dreivierte­l der bislang 38 Sitze. Neben der Wilders-partei (plus 4) konnten auch die Christdemo­kraten (CDA, plus 6) und die Liberalen (D66, plus 7) auf 19 Sitze zulegen. Den größten Zugewinn konnten die Grünen erzielen, die ihre Mandatszah­l von 4 auf 16 Sitze vervierfac­hten. Die Sozialisti­sche Partei verlor ein Mandat und ist künftig mit 14 Abgeordnet­en in der Zweiten Kammer vertreten. Dem neuen Parlament werden insgesamt 13 Gruppierun­gen angehören. Das macht die Regierungs­bildung schwierig. Mindestens vier Partner müssen gefunden werden. Die Wahlbeteil­igung lag bei 81 Prozent – deutlich höher als bei der vorigen Wahl 2012, als sich knapp 75 Prozent der etwa 13 Millionen Stimmberec­htigten beteiligte­n.

Den Wahlkampf aufgeheizt hatte zuletzt der Streit über das Verbot für türkische Regierungs­mitglieder, in den Niederland­en für das geplante Verfassung­sreferendu­m in der Türkei zu werben. Der türkische Präsident Erdogan erhob daraufhin Nazivorwür­fe gegen die Niederland­e, die im Zweiten Weltkrieg stark unter den Nationalso­zialisten gelitten hatten. Seine Landleute rief Erdogan auf, für Parteien zu stimmen, die den Dialog mit der Türkei wollten. „Seid dabei vorsichtig“, rief er bei einer Kundgebung in der Türkei. In einem Amsterdame­r Wahllokal wurden nach Informatio­nen der Zeitung „Het Parool“Flaggen und Flugblätte­r des staatliche­n türkischen Amts für Religionsa­ngelegenhe­iten gefunden.

Die vorrangige Thematik dieses Wahlkampfs war die Zersplitte­rung der Wählerscha­ft“, sagt Meinungsfo­rscher Maurice de Hond. Bis zu 15 Parteien hatten die realistisc­he Chance, ins Parlament einzuziehe­n. Eine Hürde wie in Deutschlan­d die Fünf-prozent-klausel gibt es nicht.

Die Abstimmung in den Niederland­en ist der Auftakt zu insgesamt drei Wahlen in Eu-gründungss­taaten in diesem Jahr, die vor allem von einem Erstarken populistis­cher und nationalis­tischer Parteien gekennzeic­hnet werden könnten. Ministerpr­äsident Rutte bezeichnet­e die Wahl in seinem Land als Viertelfin­ale im Kampf gegen den „verkehrten Populismus“. Das Halbfinale werde im Mai in Frankreich bei der Präsidents­chaftswahl ausgetrage­n, das Finale im Herbst bei der Bundestags­wahl in Deutschlan­d.

Mark Rutte zog 2010 als erster Ministerpr­äsident der rechtslibe­ralen Volksparte­i für Freiheit und Demokratie (VVD) in das „torentje“in Den Haag ein – das Türmchen, wie der Amtssitz des Regierungs­chefs genannt wird. Mit seiner optimistis­chen Ausstrahlu­ng brachte er frischen Wind nach Den Haag. Rutte ist charmant, bürgernah und sehr pragmatisc­h. Er habe keine „Visionen“, sagt er gern und lacht dazu breit. Inzwischen hat der 50-jährige Junggesell­e, der auch als Premier einmal in der Woche Hauptschül­er in Den Haag unterricht­et, viel Glanz verloren. „Teflon-premier“wird er genannt, weil alle Probleme an ihm abzugleite­n scheinen. Er hat Glaubwürdi­gkeit eingebüßt, nachdem er mehrere Verspreche­n nicht eingehalte­n hatte. So wird ihm vorgeworfe­n, dass er sich in Den Haag sehr europakrit­isch gibt,

aber in Brüssel immer der politische­n Linie Deutschlan­ds folgt.

Gemeinsam mit den Sozialdemo­kraten hat Rutte in den vergangene­n vier Jahren ein umfangreic­hes Spar- und Reformpake­t durchgeset­zt. Dabei bewies der einstige Manager des

Unilever-konzerns Kompromiss­fähigkeit. Seine bisher größte Niederlage ist das Scheitern seines Minderheit­skabinetts 2012 nach nur 18 Monaten. Damals hatte ihm der Rechtspopu­list Geert Wilders die Unterstütz­ung aufgekündi­gt.

 ??  ?? Der niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte von der VVD wollte zuletzt mit seiner Türkei-politik punkten. Foto: M. Kooren
Der niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte von der VVD wollte zuletzt mit seiner Türkei-politik punkten. Foto: M. Kooren
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Foto: Yves Herman
Rechtspopu­list Geert Wilders hat von der Flüchtling­skrise profitiert. Foto: Yves Herman

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