Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Rutte-partei bleibt stärkste Kraft
Wahl in den Niederlanden: Rechtspopulist Geert Wilders hat deutlich weniger Zuspruch als erwartet erhalten
DEN HAAG. In den Niederlanden ist die rechtsliberale Partei (VDD) von Ministerpräsident Mark Rutte trotz erheblicher Verluste als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervorgegangen. Die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders blieb demnach weit hinter den Erwartungen zurück.
Auf die VVD entfielen bei der Abstimmung 31 (-10) der 150 Sitze, wie aus der Prognose des Tv-senders NOS hervorging. Erdrutsch-verluste musste der Regierungspartner von Rutte einstecken. Die Partei der Arbeit verlor etwa Dreiviertel der bislang 38 Sitze. Neben der Wilders-partei (plus 4) konnten auch die Christdemokraten (CDA, plus 6) und die Liberalen (D66, plus 7) auf 19 Sitze zulegen. Den größten Zugewinn konnten die Grünen erzielen, die ihre Mandatszahl von 4 auf 16 Sitze vervierfachten. Die Sozialistische Partei verlor ein Mandat und ist künftig mit 14 Abgeordneten in der Zweiten Kammer vertreten. Dem neuen Parlament werden insgesamt 13 Gruppierungen angehören. Das macht die Regierungsbildung schwierig. Mindestens vier Partner müssen gefunden werden. Die Wahlbeteiligung lag bei 81 Prozent – deutlich höher als bei der vorigen Wahl 2012, als sich knapp 75 Prozent der etwa 13 Millionen Stimmberechtigten beteiligten.
Den Wahlkampf aufgeheizt hatte zuletzt der Streit über das Verbot für türkische Regierungsmitglieder, in den Niederlanden für das geplante Verfassungsreferendum in der Türkei zu werben. Der türkische Präsident Erdogan erhob daraufhin Nazivorwürfe gegen die Niederlande, die im Zweiten Weltkrieg stark unter den Nationalsozialisten gelitten hatten. Seine Landleute rief Erdogan auf, für Parteien zu stimmen, die den Dialog mit der Türkei wollten. „Seid dabei vorsichtig“, rief er bei einer Kundgebung in der Türkei. In einem Amsterdamer Wahllokal wurden nach Informationen der Zeitung „Het Parool“Flaggen und Flugblätter des staatlichen türkischen Amts für Religionsangelegenheiten gefunden.
Die vorrangige Thematik dieses Wahlkampfs war die Zersplitterung der Wählerschaft“, sagt Meinungsforscher Maurice de Hond. Bis zu 15 Parteien hatten die realistische Chance, ins Parlament einzuziehen. Eine Hürde wie in Deutschland die Fünf-prozent-klausel gibt es nicht.
Die Abstimmung in den Niederlanden ist der Auftakt zu insgesamt drei Wahlen in Eu-gründungsstaaten in diesem Jahr, die vor allem von einem Erstarken populistischer und nationalistischer Parteien gekennzeichnet werden könnten. Ministerpräsident Rutte bezeichnete die Wahl in seinem Land als Viertelfinale im Kampf gegen den „verkehrten Populismus“. Das Halbfinale werde im Mai in Frankreich bei der Präsidentschaftswahl ausgetragen, das Finale im Herbst bei der Bundestagswahl in Deutschland.
Mark Rutte zog 2010 als erster Ministerpräsident der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) in das „torentje“in Den Haag ein – das Türmchen, wie der Amtssitz des Regierungschefs genannt wird. Mit seiner optimistischen Ausstrahlung brachte er frischen Wind nach Den Haag. Rutte ist charmant, bürgernah und sehr pragmatisch. Er habe keine „Visionen“, sagt er gern und lacht dazu breit. Inzwischen hat der 50-jährige Junggeselle, der auch als Premier einmal in der Woche Hauptschüler in Den Haag unterrichtet, viel Glanz verloren. „Teflon-premier“wird er genannt, weil alle Probleme an ihm abzugleiten scheinen. Er hat Glaubwürdigkeit eingebüßt, nachdem er mehrere Versprechen nicht eingehalten hatte. So wird ihm vorgeworfen, dass er sich in Den Haag sehr europakritisch gibt,
aber in Brüssel immer der politischen Linie Deutschlands folgt.
Gemeinsam mit den Sozialdemokraten hat Rutte in den vergangenen vier Jahren ein umfangreiches Spar- und Reformpaket durchgesetzt. Dabei bewies der einstige Manager des
Unilever-konzerns Kompromissfähigkeit. Seine bisher größte Niederlage ist das Scheitern seines Minderheitskabinetts 2012 nach nur 18 Monaten. Damals hatte ihm der Rechtspopulist Geert Wilders die Unterstützung aufgekündigt.